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Exil

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Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Tür und sehe, wie Voeckler Ebenezer die Taschenlampe aus der Hand nimmt und der Lichtkegel über dessen graue Bartstoppel, die fadenscheinige Kaki-Uniform und die Autoreifensandalen tanzt.
    Alter Bock
    »Darf ein Mädchen nicht mal in Ruhe pinkeln?« Voeckler dreht sich mit der Taschenlampe in der Hand zu mir um, blendet mich. Ich halte die Hand vor die Augen. »Lassen Sie das«, sage ich und trete aus der Tür.
    »Wieso hast du nicht geantwortet, als ich gerufen habe?«
    »Ich habe gepinkelt. Das ist Privatsache.« Er leuchtet auf meine Brüste. Mein T-Shirt ist verrutscht.
    »Und wieso bist du auf der Jungentoilette?«
    »Auf der Mädchentoilette stand jemand«, behaupte ich.
    »Nein«, sagt er. »Ich bin gerade drin gewesen.«
    »Tja, dann waren die ganz schön schnell. Mussten Sie auch pinkeln?«
    »Werd nicht frech.«
    »Ich bin nicht frech.«
    »Du bist aus der Dusche gekommen, das habe ich genau gesehen.«
    »Ich habe in den Abfluss gepinkelt. So, und jetzt muss ich ins Bett.«
    »Du bleibst hier«, befiehlt er und geht auf die Toilettentüren zu.
    »Der kranke weiße Mann hat große Lust auf mich«, sage ich auf Swahili zu Ebenezer. Seine Zähne leuchten in der Dunkelheit auf, als er lautlos lacht.
    »Was sagst du da?«
    »Ich rede Swahili mit dem Wachmann. Wir sind hier in Tansania. Können Sie die Landessprache nicht?«
    »Pass auf«, sagt er zu mir und stößt die erste Tür auf, leuchtet hinein. Nichts. Christian muss auf der Toilette daneben sein. Obwohl wir hier standen und geraucht oder uns geküsst haben, ist es ja nicht gerade verboten … das Rauchen schon, aber wir haben ja auch gar nicht geraucht. Jedenfalls nicht hier. Aber ich habe schon genug Probleme. Wer weiß, was Christian Voeckler in ein paar Sekunden sagen wird? Voeckler stößt die andere Tür auf, richtet den Lichtkegel auf Christian. Nein. Christian ist nicht da. Wo ist er? Voeckler geht in den Duschraum. Ich lehne mich an den Türrahmen um zu sehen, was er findet. Ich höre ein leises Geräusch.
    »Was?«, sagt Voeckler und dreht sich um. Ich sehe ihn verblüfft an.
    »Keine Ahnung«, antworte ich. Voeckler richtet den Lichtkegel zwischen die Dachsparren des Duschraums, und in diesem Moment schleicht sich Christian an mir und Ebenezer vorbei aus den Toiletten. Er hat auf der Trennwand zwischen den beiden Toiletten gesessen. Voeckler hätte die Taschenlampe nur nach oben richten müssen.
    »Samantha!«, ruft Christian von der anderen Seite des Gebäudes. »Was ist los?«
    »Darf ich jetzt gehen?«, frage ich. »Mein Freund ruft mich.«
    »Du bleibst hier«, sagt Voeckler.
    Christian kommt um die Ecke. »Wo bleibst du denn?«
    »Na ja, ich darf nicht gehen.«
    »Warum nicht? Was ist los?«
    »Werd nicht frech«, sagt Voeckler.
    »Frech?«, entgegnet Christian. »Ich muss nach Hause, ich will Samantha nur auf Wiedersehen sagen.«
    »Ihr habt … etwas Ungehöriges getrieben«, behauptet Voeckler.
    »Ja, worauf du dich verlassen kannst«, sage ich, und Christian lacht. Voeckler tritt dicht an ihn heran.
    »Du riechst nach Rauch.«
    »Ich bin Raucher.«
    »Du hast keine Erlaubnis.«
    »Doch, die hab ich.«
    »Du verlässt jetzt sofort das Schulgelände.«
    »Warum?«
    »Weil ich es sage – sonst kannst du dich morgen früh im Büro melden.« Voeckler wendet sich wieder an mich. »Und du kommst mit«, sagt er und fasst nach meinem Oberarm.
    »Fass mich nicht an!«, zische ich und versuche, meinen Arm aus seinem Griff zu befreien. Er hält fest.
    »Los jetzt«, befiehlt er und zieht mich mit sich. Aus der Dunkelheit kommen andere Schüler, umringen uns und beobachten die Szene. Voeckler hat noch immer die Taschenlampe in der Hand. Er leuchtet sie an.
    »Was geht hier vor?«, fragt Panos, der neben Christian auftaucht. Jetzt ist es so weit, ich fange an zu weinen und zu schreien.
    »Lass mich los. Du bist ja krank! Du willst mich doch nur betatschen. Alle Mädchen sagen, dass du sie im Unterricht ständig anglotzt.«
    »Was?« Voeckler lässt meinen Arm los.
    »Hm«, sagt Christian und nickt.
    »Das stimmt«, bestätigt auch Panos. Voeckler rückt zwei Schritte von mir ab. Oh nein, Gretchen sieht völlig verstört aus. Sie ist meine beste Freundin und wird sich vermutlich denken, dass ich irgendetwas mit Christian angestellt habe. Blöd. Voeckler leuchtet auf mich, Christian und Panos. Meine Schultern beben. Es gibt so viele Dinge, an die ich nur zu denken brauche, und schon laufen mir die Tränen – es ist nicht überzeugend, aber es ist

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