Exil
echt.
»Ihr geht jetzt rein, alle zusammen. Anderenfalls erscheint ihr alle morgen im Büro«, sagt Voeckler und leuchtet Christian direkt ins Gesicht: »Und du verschwindest jetzt auf der Stelle.«
Christian zuckt die Achseln.
»Bis dann«, sagt er und geht. In diesem Moment taucht Tazim auf und legt mir einen Arm um die Schulter. Wir gehen zum Kiongozi-Haus.
Freunde
Am nächsten Tag am alten Schwimmbecken.
»Nein, also … ich will das nicht«, sage ich zu Christian.
»Aber … ich dachte …« Er ist sprachlos.
»Nein, es war nur …«, stammele ich, aber er hat sich bereits umgedreht und geht. Aber ich will nicht mit ihm zusammen sein, denn jetzt benimmt er sich genau wie Stefano, er will nur fummeln und ficken. Ich weiß, dass ich ihn ermuntert habe, das war ein Fehler. Ja, vielleicht liebt er mich sogar, aber was soll ich damit anfangen?
Panos sieht mich so merkwürdig an, als wir uns begegnen.
»Was ist?«
»Das war nicht unbedingt nötig«, sagt er.
»Was?«
»Christian.«
»Nein, aber …«
»Nicht notwendigerweise.«
»Nein«, gebe ich zu. Auf unserem Zimmer stopft Gretchen heulend ihre Sachen in eine Tasche.
»Was ist denn los?« Ich nehme sie in den Arm. Sie schluchzt.
»Ich muss nach Hause«, sagt sie.
»Nach Mwanza? Wieso?«
»Nach Deutschland«, schnieft sie. »Mein Vater ist krank.«
»Ist es ernst?«
»Krebs«, sagt sie. Und zwei Stunden später ist Gretchen fort, sie wird nicht wiederkommen. Ihr Vater muss sich einer langen Strahlenbehandlung unterziehen. Möglicherweise stirbt er. Gretchen ist fort. Jetzt habe ich nur noch Tazim.
Ich gehe zur Karibu Hall. Dort findet das Badmintontraining statt. Christian spielt verbissen und gewinnt fast alle Bälle, Masuma kann nicht mithalten. Er sieht mich nicht an. Als sie das Spiel beenden, geben sie sich die Hand. Christian geht an mir vorbei und setzt sich draußen auf eine Bank. Er atmet tief durch, wobei ihm die Schweißtropfen übers Kinn laufen. Ich setze mich neben ihn.
»Du hast mich gern«, sage ich.
»Ja«, antwortet er und schaut dabei in die Luft.
»Aber wir sind Freunde, Christian. Wir können nicht zusammen gehen.«
»Aber wieso hast du …«, beginnt er, dann versagt ihm die Stimme.
»Ach …«, seufze ich. »Ich brauche einen Mann.« Er sagt nichts. Schaut in die Luft. »Keinen Jungen.« Er steht auf und geht.
Alison
Ich liege im Kiongozi auf dem Bett und langweile mich. Christian redet noch immer nicht mit mir. In ein paar Tagen beginnen die Weihnachtsferien. Vier Wochen Ferien in Tanga mit meinen sterbenslangweiligen Eltern und ohne Alison. Allein der Gedanke ist nicht zum Aushalten. Im Aufenthaltsraum klingelt das Telefon. Ich horche.
»Samantha!«, ruft Truddi. Ich springe auf.
»Ja?«
»Es ist Alison«, sagt Truddi und gibt mir den Hörer. Ich reiße ihr ihn fast aus der Hand.
»Alison!«, rufe ich. »Komm nach Hause, ich vermisse dich!«
Ich höre das Knistern in der Leitung und Alisons perlendes Lachen.
»Wie ist England?«
»Ich bin nicht in England, Samantha.«
»Wo bist du dann?«
»Ich bin gestern auf dem Kilimandscharo Flughafen gelandet, mit Aeroflot. Ich hole dich ab. Wir fahren in den Weihnachtsferien nach Tanga«, höre ich Alison sagen.
»Oh, Mann, was bin ich froh. Aber … was ist mit England?«
»Ich habe das Praktikum geschmissen.«
»Wissen die Alten, dass du zurück bist?«
»Das werden sie noch früh genug erfahren«, erwidert sie. Ich stelle eine Unmenge Fragen, sie unterbricht mich. »Wir reden, sobald wir uns sehen.«
Zwei Tage später kommt sie auf einem von Micks Bultaco-Motorrädern. Ich falle ihr um den Hals.
»Alison!« Ich küsse sie auf die Wange und den Mund, drücke sie an mich.
»Ganz ruhig«, sagt sie und lächelt. Sie holt einen Mars-Riegel aus der Tasche und gibt ihn mir.
»Ich habe jede Menge Süßigkeiten dabei.« Ich küsse sie noch einmal, reiße das Papier von der Schokolade und beiße ein großes Stück ab.
»Du bist eine gute Schwester. Aber Vater bringt dich um.«
»Er hat mir nichts mehr zu befehlen.«
»Hast du ein Rückflugticket?«
»Ne.«
»Wieso hast du aufgehört?«
»Es war so steif. Die Leute sind langweilig, es ist kalt und … die wissen überhaupt nichts.«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Lass uns erst einmal fahren«, erwidert sie. Ich stopfe mir den Rest der Schokolade in den Mund und springe auf. An der Road Junction halten wir und trinken Tee.
»Und wie läuft’s in der Schule?«, erkundigt sich Alison.
»Okay«,
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