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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Dass er stirbt.«
    »Je schneller, desto besser.«
    »Das meinst du doch nicht im Ernst, Samantha?«
    »Aber jetzt ist er doch da.«
    »Klar, aber er fährt auch wieder.«
    »Und?«
    »Sie liebt ihn«, sagt Alison.
    Ich antworte nicht darauf.
    Es regnet die ganze Zeit. Obwohl die kurze Regenzeit vorbei sein müsste. Die lange fängt erst Ende Februar an. Aber der Regen klatscht herab, und das Wasser tropft durchs Dach des Restaurants, lässt die Tischdecken feucht werden und bildet Pfützen auf dem unebenen Betonfußboden. Weihnachten ist traurig. Keine Gäste, weder zu Hause noch im Hotel. Ich dachte, wir würden nach Daressalaam fahren, aber Vater erklärt, er hätte keine Zeit.
    »Was ist mit Victor, wo feiert er Silvester?«, erkundige ich mich.
    »Wieso?«, will Vater wissen.
    »Ich versuche nur, mich mit dir zu unterhalten.«
    »Wir reden nicht über meine Arbeit, das weißt du genau.«
    »Verflucht, ja.« Nie will er über seine Arbeit sprechen.
    »Und außerdem sollst du zu Hause nicht fluchen«, fügt er hinzu.
    »Jesus!«, stöhne ich und gehe in mein Zimmer. Der Mann flucht selbst wie ein Schwein, wenn er wütend ist, aber wir anderen sollen die Fassade aufrechterhalten.
    Alison liest auf meinem Bett ein Taschenbuch. In ihrem alten Zimmer tropft es durch die Decke. Ich setze mich an den Schreibtisch und fange mit den vier Aufsätzen an, die ich am ersten Schultag abzuliefern habe. Wenn ich nicht weiß, was ich schreiben soll, frage ich Alison. Sie diktiert, ich schreibe auf.
    Silvester verbringen wir im Tanga Yacht Club. Willkommen 1984. Langweilig.

1984

Schlamm
    Wieder in der Schule. Die Kleinen aus den unteren Klassen lärmen und rennen auf den Fluren herum; man muss sich nach oben boxen. Mein Blick fällt auf Christian. Weißes T-Shirt, blaue Jeans. Ich bleibe stehen, schaue ihn an. Sein Blick ist tot, als er mich von oben bis unten ansieht – oder bilde ich mir das nur ein? Ich bin nicht sicher. Eigentlich würde ich ihm gern nachgehen, bleibe aber stehen.
    Es gibt keine Zigaretten bei Mboyas. Mit ein paar Schweden fahre ich nach dem Unterricht in die Stadt, behaupte, ich müsste einen kranken Klassenkameraden besuchen. Ich finde keine Zigaretten. Gehe zum Kibo Coffee House und frage einen Burschen, der dort sitzt und raucht.
    »Du kannst einen Zug kaufen«, sagt er. Ich suche mir ein Taxi. Als ich zurück zur Schule komme, schaufelt Christian Erde aus dem tiefen Betongraben an der Schuleinfahrt; der Graben muss sauber sein, bevor die lange Regenzeit im Februar beginnt. Jarno hilft ihm. Ich bezahle, steige aus und stemme die Arme in die Seiten. Beide tragen weiße T-Shirts und blaue Jeans.
    »Wie geht’s euch, Jungs?«
    »Wie sieht’s denn aus?«, fragt Jarno zurück. Christian schaut mich mit einem ausdruckslosen Blick an.
    »Tsk.« Er spuckt aus und gräbt weiter.
    »Was habt ihr verbrochen?«
    Jarno sieht Christian an, aber der starrt in die Luft, sagt nichts. Jarno grinst: »Christian hat jedes Mal, wenn Miss Harrison ihn etwas fragte, gesagt: ›Keine Ahnung, ist mir egal‹. Das mochte sie gar nicht.«
    »Und du?«
    »Hausaufgaben vergessen.«
    »Und was ist mit euren Klamotten?«
    »Das ist unser Stil«, erklärt Jarno. »The Carlsberg Twins.« Ich habe gehört, dass die Leimschnüffler sie so nennen, weil Christian zu Hause Carlsberg klaut. Die weißen Helfer lassen sich sämtliche Waren, die in Tansania nicht zu beschaffen sind, per Fracht kommen und bringen sie mit Bestechung durch den Zoll.
    »Jarno, Christian, bis bald!«
    »Okay«, sagt Jarno und belädt die Schubkarre. Christian bleibt stumm.
    »Bis bald, Christian!«, rufe ich noch einmal. Er reagiert nicht. Sieht mich an. »Okay?«, frage ich.
    »Okay«, antwortet er und verzieht den Mund zu einem kleinen Lächeln, dann stößt er die Schaufel in den getrockneten Schlamm am Boden des Grabens.
    Verbindung
    Der Unterricht ist vorbei. Ich müsste … irgendetwas tun. Was soll ich mit mir anstellen? Ich rufe in Tanga an. Bekomme eine Verbindung! Das Hausmädchen holt Alison.
    »Ich will hier nicht bleiben.«
    »Was ist denn los?«
    »Ich halt’s nicht mehr aus.«
    »Hör schon auf, Samantha, so schlimm ist es auch wieder nicht.«
    »Doch, ich hasse es.«
    »Ich kann zu eurem verlängerten Wochenende kommen, wir könnten die Durants zusammen besuchen«, schlägt sie vor.
    »Das dauert noch ein paar Wochen.«
    »Komm schon, Samantha.«
    »Ja, okay. Und wie geht’s dir?«
    »Du weißt schon … Mutter und Vater, es läuft nicht

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