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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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dazu … habe ich ehrlich gesagt überhaupt keine Lust.«
    »Was willst du dann? Bis zur Zwölften auf der Schule bleiben?«
    »Nein«, sage ich. »Aber die können mich doch nicht mit drei Jahren hierher mitschleppen, und dann, hundert Jahre später, soll ich plötzlich nach England.«
    »Du hast Recht, das ist nicht in Ordnung.« Alison öffnet die beiden Bierdosen, die ich aus dem Kühlschrank mitgenommen habe. Ich zünde ein paar trockene Palmblätter an und lege einige Zweige darüber. Das Feuer fängt an zu brennen. Ich setze mich dicht neben Alison, stecke mir eine Zigarette an und lege den Arm um sie. In England haben die Gebäude die gleichen Fenster wie die englischen Häuser aus der Kolonialzeit in Tansania. Aber England sind nicht die Tropen. Es ist saukalt dort, und man bekommt die Räume nicht warm, weil der Wind hineinpfeift.
    »Und wie willst du diesen Mann finden?«, frage ich noch einmal. Alison lehnt ihren Kopf an meine Schulter.
    »In den Ferien werde ich Melinda in Dar besuchen und mir den Markt mal ansehen. Dann finde ich einen und heirate ihn nach einem Jahr. Fertig.«
    »Und wenn er dich nicht heiraten will?«
    »Glaubst du, das hätte er zu entscheiden?« Alison wendet mir ihren Kopf zu. Das Licht der Flammen flackert über ihr Gesicht, und ich kann ihren Blick sehen, von dem die Männer meinen, er würde alles mögliche Fantastische versprechen.
    »Nein, der Mann hat nicht viel zu sagen«, bestätige ich. Alison hat mir versucht beizubringen, wie man seinen Blick verschleiert, süß, frech und lebhaft zugleich, aber ich kann meine Gesichtszüge nicht beieinander halten; ich finde es zu lächerlich. Wenn wir zusammen in Dar sind, umschwärmen die Männer Alison wie Fliegen die Scheiße. Ich werde erst interessant, wenn sie etwas getrunken haben.
    Vater, Mutter, Kind
    Als wir zum Hotel zurückkehren, sitzen die Alten mit ihren Drinks auf der Veranda.
    »Gut, dass mein großes Mädchen gekommen ist, um unser Hotel zu retten«, eröffnet Vater das Gespräch, als wir uns setzen.
    »Mutter muss mir aber dabei helfen«, erwidert Alison und sieht sie an.
    »Das werde ich, Schatz«, sagt sie.
    »Deine Mutter konzentriert sich auf ihren Gin Tonic«, erklärt Vater. Mutter sieht ihn an, schnauft.
    »Ich habe mein Bestes getan.«
    »Ja. Aber das war nicht genug.«
    Mutter holt aus, trifft ihn an der Schulter. Ich halte den Atem an.
    »Du dummes Schwein«, lallt sie und weint, als sie aufsteht und unsicher ins Haus schwankt.
    »Geh nur und schlaf deinen Rausch aus!«, ruft Vater ihr nach.
    »Tsk«, zischt Alison, »wieso musst du dich zulaufen lassen und dich dann so benehmen?«
    »Ich muss besoffen sein, um mit der alten Vettel noch zu schlafen.«
    »Diesen Mist höre ich mir nicht länger an«, erklärt Alison und erhebt sich. Ich stehe ebenfalls auf.
    »Bist du auch dieser Meinung, Samantha?«
    »Ja.«
    »Und ich dachte, du wärst genauso abgebrüht wie dein alter Vater«, sagt er hinter meinem Rücken.
    »Ja, aber ich habe noch alle beieinander«, antworte ich, als ich hineingehe.
    »Hollala!«, ruft er mir hinterher. Alison hat sich bereits in das Gästebett in meinem Zimmer gelegt. Ich putze mir die Zähne.
    »Wieso setzt sie ihn nicht einfach vor die Tür? Nimmt sich zusammen und führt das Hotel? Er ist sowieso nie hier. Sie hängt an ihm wie ein Säugling.«
    »Samantha. Sie hat uns großgezogen. Das musste sie tun, während er das Geld beschafft hat.«
    »Mit tatkräftiger Unterstützung von Kindermädchen und Dienstboten. Es ist doch nicht so, dass sie sich totgearbeitet hätte. Außerdem sind wir ziemlich früh aufs Internat gekommen.«
    »Samantha, glaubst du, es gäbe so etwas wie ein Zuhause, in das man zurückkommen kann, wenn es sie nicht gegeben hätte?«
    Ich sage nichts.
    »Wenn du noch immer von deinem Vater beeindruckt bist, ihn gleichzeitig aber hasst, dann hast du wirklich nichts begriffen«, erklärt mir Alison.
    Ich sage noch immer nichts.
    »Wenn sie ihn tatsächlich hinauswerfen würde, wäre das Hotel nicht genug, es sei denn, du würdest hier in Tanga zur Schule gehen.«
    »Was meinst du?«
    »Dieses Hotel wirft so gut wie kein Geld ab. Jedenfalls nicht genug, um deine Schule und die Ferien in England zu bezahlen.«
    »Tsk«, entfährt es mir.
    »Außerdem trinkt sie zu viel, um sich um irgendetwas kümmern zu können.«
    »Ja, und wieso macht sie das? Weil er wahnsinnig ist.«
    »Sie hat Angst«, sagt Alison.
    »Wovor?«
    »Dass er nicht zurückkommt, wenn er losfährt.

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