Exil
Frans nickend hinzu.
»Schön für ihn.« Mick, ich hab ihn gern, aber er ist bloß ein Junge, ein großer Kindskopf.
»Du wirst ihn sehen, wenn du uns in Dar besuchst«, sagt Alison.
»Euer Vater und Vögel, das ist doch seltsam, oder?«, wundert sich Frans. Als wir heute früh aufgestanden sind, ist Vater mit dem Mietwagen fortgefahren, seine Tasche, sein Fernglas und seinen Fotoapparat hat er mitgenommen. »Ich will Vögel beobachten«, hat er auf Frans’ Frage geantwortet. Alison seufzt und lacht.
»Er ist nicht losgefahren, um sich Vögel anzusehen«, sagt sie.
»Was macht er dann?«
»Er bereitet einen Putsch gegen die Regierung vor.«
»Einen Putsch? Gegen welche Regierung?«
»Die Regierung hier auf den Seychellen.«
»Aber …«
»Im Auftrag einer Oppositionsgruppe, die im Exil lebt … soweit ich weiß, in London«, erklärt Alison.
»Aber …« Frans wirkt desorientiert.
»Er fährt herum und checkt die Bedingungen, zeichnet Karten, macht Fotos, rechnet Zeitabläufe aus. Damit er und seine Leute die Schlüsselstellungen der Insel übernehmen können – Strom, Wasser, Kommunikation, Hafen und Flughafen.«
»Sind die im Moment hier?« Frans schaut sich hektisch um, ich pruste fast los.
»Nein. Ich weiß nicht, wann es passieren wird, aber bestimmt nicht, solange wir hier sind. Es ist ohnehin nicht sicher, ob es überhaupt dazu kommt. Im Augenblick sondiert er bloß die Lage.«
»Hat er dir das erzählt?«
»Nein«, erwidert Alison. »Aber ich kann selbst denken.«
»Und es ist dir … egal?«
»Was?«
»Dass er … in so was involviert ist?«
»Das macht er schon sein ganzes Leben lang. Was soll ich deiner Meinung nach dazu sagen?«
Ich muss lachen.
»Findest du das etwa lustig?«, wendet sich Frans an mich.
» Nein, abermach dir mal klar, dass er das tut und nicht wir «, antworte ich und zeige auf Alison und mich. »Wir versuchen nur, uns von ihm abzusetzen.«
»Riskiert er nicht, ins Gefängnis gesteckt zu werden … oder getötet? «
»Na klar. Eher noch Letzteres.«
»Aber wenn es klappt, darf er sicher hier wohnen«, meint Alison.
»Das ist doch Wahnsinn.« Frans schüttelt den Kopf.
»Vielleicht«, sagt Alison.
»Ich glaube nicht«, werfe ich ein.
»Also ist er …«, beginnt Frans.
»Ein Söldner«, beende ich den Satz für ihn. »Ja, er ist ein alter SAS -Offizier – Spezial Air Services, die britische Spezialeinheit. 1969 haben sie ihn rausgeschmissen, als er einen längeren Urlaub dazu nutzte, nach Nigeria zu reisen und während des Bürgerkriegs in der 4. Kommandobrigade für Biafra zu kämpfen.«
»Also wartet er nur auf die nächste Aufgabe?«
»Nein.« Alison erklärt es ihm. »Im letzten Jahr ging es vor allem um das Training von Wachmannschaften für die Minen in Katanga, Militärberatung und so etwas. Außerdem gehören ihm ein paar Firmen in Tansania.«
Vater kommt am Abend nicht zurück. Auch am nächsten Morgen ist er nicht da. Wir fahren zum Hotel und segeln mit dem behaarten Mann zu einem Korallenriff. Frans soll seinen ersten Tauchversuch mit der Flasche absolvieren. Alison hat sich eine komplette Ausrüstung geliehen, während ich nur mit Schnorchel, Maske und Flossen tauchen will. Das Boot hat einen Glasboden: der Sandstrand fällt hier bis zum Grundab – Farbexplosionen. Ein riesiges Korallenriff mit unzähligen Fischschwärmen. Wir werfen den Anker. Die anderen tauchen, während ich mit einem einheimischen Burschen eine Zigarette rauche. Wir verfolgen sie durch den Glasboden. Sie tauchen zehn, zwölf Meter unter uns.
»Ich schwimme ihnen nach«, sage ich.
»Ich komme mit«, erklärt der Junge. Wir springen aus dem Boot, ziehen uns Masken und Flossen an, atmen tief ein und tauchen. Gleiten ruhig durch das Wasser, Luft sparen. Frans reißt die Augen auf, als er mich sieht. Ich winke ihm zu und schwimme ein bisschen um ihn herum, bevor ich wieder ans Licht steige.
Frauen und Kinder
Als wir zum Guesthouse zurückkommen, ist Vater zurückgekehrt. Abends lädt er uns in das beste Restaurant der Stadt ein; wir sitzen draußen und schauen über die Stadt und das Meer. Alison fragt Vater, wie es gewesen ist, als wir noch Säuglinge waren.
»Was meinst du?«
»Ich will wissen, wie es ist, Babys zu haben.«
»Es war hart«, erwidert er.
»Was weißt du denn schon davon«, werfe ich ein.
»Du warst doch damals noch beim Militär, oder?«, fügt Alison hinzu.
»Ja, schon.« Kein Wort, dass er rausgeschmissen wurde, weil er als Söldner nach
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