Exil
nach. Sie kommt wieder herein. Sieht mich an.
»Ich …«, bringe ich heraus, kein weiteres Wort.
»Du musst dich jetzt ausruhen«, sagt der Arzt. Die Zähne bräunlich, rostrot.
»Blödes Gör«, sagt Halima. »Du verschwindest hier, sobald du wieder gehen kannst.«
»Ja«, antworte ich. Sie kommt mit einer dicken Suppe, füttert mich mit einem Löffel. Ich kann ihre warme Haut riechen.
»Du glaubst, alles dreht sich um dich«, sagt sie. »Aber es gibt noch andere Menschen auf der Welt.« Ich schlucke die Suppe. Es geht um mich – es ist für mich. Aber ich kann nicht reden. Die Scheiße läuft aus mir heraus, ich weine, schließe die Augen, komme nicht damit klar, dass sie mich so sieht.
Drei Tage bleibe ich im Bett, dann kann ich mich bewegen und unter die Dusche gehen. Eine Zigarette rauchen.
»Was soll ich mit dir anfangen?«, fragt Halima.
»Ich fahre nach Dar.«
»Wann?«
»Morgen.«
»Okay. Ich fahre dich in die Stadt und kaufe dir ein Ticket für den guten Bus.« Sie steht auf. Nichts weiter. Ich gehe langsam zum Bungalow, zwinge mich, allein zu gehen und meine Sachen zu holen. Gehe zurück ins Haus. Sitze den größten Teil der Nacht auf der Veranda. Es ist das letzte Mal, das ich hier sein werde, so viel ist sicher. Auf Wiedersehen, Baobab Hotel. Halima fährt mich zum Bus.
»Pass auf dich auf, blödes Gör«, sagt sie.
»Ebenfalls, blöde Tante«, erwidere ich. Steige ein, setze mich. Fahre.
Glückwunsch
Mit dem Taxi durch Daressalaam, über die Selander Bridge auf die Msasani-Halbinsel. Korallen, Sand, das Rauschen des Meeres. An der Spitze liegt der Yachtklub. Ich fahre am Botschaftsviertel vorbei, dorthin, wo die gewöhnlichen Reichen wohnen. Es ist später Nachmittag. Ich habe Bauchschmerzen. Ich hoffe, Alison nimmt mich freundlich auf.
Wir sind da, ich gehe zur Vordertür.
»Alison?«, rufe ich. Sie kommt aus dem Garten. Strahlt.
»Samantha! Wieso hast du nicht angerufen?«
»Ich bin krank.«
»Aber, Liebes, komm doch rein. Was ist passiert?«
»Der Bauch«, sage ich. »Aber wie geht’s dir?«
Alison fängt an zu kichern, schaut mich an, wendet den Blick ab, schaut mich wieder an.
Sie führt mich durch den Garten und das Haus. Frans hat alles, was man braucht: Stereoanlage, europäische Möbel, Carlsberg im Kühlschrank. Alison hat mir tolle Klamotten aus Holland mitgebracht. Wir setzen uns ins Wohnzimmer, um der Hitze zu entgehen. Sie schaut träumerisch auf ihre Hand. Ich folge ihrem Blick. Ein Ring – mit einem Tansanit-Stein.
»Hast du den in Holland gekauft?«
»Frans hat ihn mir geschenkt. Er hat den Stein in Holland schleifen lassen. Mick hat ihn besorgt.«
»Wieso hat er ihn dir geschenkt? Ist das so etwas wie ein … Verlobungsring?«
Alison seufzt. »Sei mir jetzt nicht böse, aber … wir haben in Holland geheiratet.«
»Nein, nein!« Ich umarme sie. »Herzlichen Glückwunsch! Das ist doch toll. Bist du glücklich?«
»Ja«, sagt Alison erleichtert. »Ja, das bin ich. Ich weiß nur … Ich habe Mutter angerufen und es ihr erzählt, sie war ein bisschen enttäuscht. Und ich weiß, dass Vater kotzwütend wird, aber … wenn Vater in der Kirche gestanden und mich zu Frans geführt hätte … ich fand das einfach total krank.«
»Ist doch egal. Das war deine Hochzeit, nicht ihre.«
»Bei ihnen hat’s ja auch nicht funktioniert.« Wir müssen lachen.
»Hat Frans dich über die Schwelle ins Brautbett getragen?«
Alison kichert. »Ja, das hat er tatsächlich gemacht.«
Es gelingt mir, mich nicht zu verraten, sie sieht nichts. Frans ist ein KLM -Mann. Er hätte mir durchaus ein Flugticket besorgen können. Es hätte ihn wahrscheinlich nicht einmal etwas gekostet. Er will mir Alison einfach nehmen. Und sie ist damit einverstanden. Ich verstehe ja, dass Alison ihre neue Familie nicht mit unseren Eltern besudeln will. Aber ich … es ist ein Schlag ins Gesicht. Halt dich fern von unserer neuen Familie, wir wollen jegliche Ansteckung vermeiden. Ich frage nicht, ob Frans’ Familie dabei war, natürlich waren sie es.
»Bist du schwanger?«
»Wir arbeiten daran«, erwidert sie lachend.
Schatten
Vater. Es kann nicht mehr lange dauern, bis er auftaucht, aber ich schaffe es einfach nicht, Alison zu erzählen, was passiert ist. Sie atmet tief ein. Seufzt.
»Was ist mit deinem Examen?«
»Ich kann nicht lernen.«
»Soll ich in der Schule anrufen und ihnen mitteilen, dass du krank bist? Dann kannst du es vielleicht nachmachen.«
»Ich weiß nicht.«
Frans
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