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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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hält, springe ich aus dem Auto und übergebe mich in die Büsche neben der Einfahrt.
    »Was ist denn los?« Alison hält mich von hinten, während ich spucke. Ich spüre ihren Bauch an meiner Hüfte.
    »Wahrscheinlich die Krabben im Restaurant.«
    »Aber sie haben ihr doch geschmeckt?«, sagt Frans.
    »Ja, schon, aber durch das Curry merkt man es manchmal nicht so genau«, erwidert Alison. Sie bringt mich zu Bett. Ich trinke ein bisschen Wasser. Stehe auf und übergebe mich noch einmal. Alison steckt den Kopf aus der Wohnzimmertür, als ich von der Toilette komme.
    »Alles okay«, behaupte ich und lege mich wieder hin. Überhaupt nichts ist okay. Ich habe Angst. Ein paar Stunden später schlafe ich ein.
    Ich liege zusammengekrümmt im Bett. Es ist fast Mittag. Alison kommt herein.
    »Was ist los, Samantha?«
    »Das Blut kommt nicht.«
    »Das Blut?«
    »Mein Blut!«, schreie ich. »Ich habe meine Menstruation nicht bekommen!« Alison bleibt stehen und starrt mich einen kurzen Moment an, dann dreht sie sich um, geht hinaus. Ich höre nichts. Kurz darauf kommt sie wieder herein, mit tränenüberströmtem Gesicht. Sie hat draußen überlegt, was sie dazu sagen soll; soll sie mich beschimpfen, weinen oder irgendetwas anderes unternehmen? Sie ist frisch verheiratet und will gern schwanger werden. Was ist notwendig in dieser Situation? Sie hockt sich neben mein Bett und atmet tief durch. Mit einem Mal hebt sie die Hand über mein Gesicht.
    »Wer war das?«, schreit sie. Aber ohne zuzuschlagen. Sie fängt an zu schluchzen.
    »Ist das nicht egal?«, erwidere ich. Sie legt ihren Kopf auf meine Arme.
    »Doch. Aber Vater wird dich danach fragen, und er darf es nicht wissen.«
    »Ach, einer von der Schule.«
    »Dieser Stefano?«
    »Nein.«
    »Wer?«
    »Ich will nicht sagen, wer das war, weil …«
    »Weil was?«
    »Weil es einfach ein Junge ist und es ein unglücklicher Zufall war, das Kondom ist geplatzt. Und ich will dieses Kind nicht, sollte Vater mich fragen.«
    »Er wird nicht fragen«, meint Alison. Sie erhebt sich. »Ich werde ihm erzählen, dass du …«
    »Das mache ich selbst.«
    »Nein«, erklärt sie und geht hinaus. Leise höre ich, wie sie telefoniert. Dann klappt die Tür, und das Auto wird angelassen. Ich gehe in die Küche und versuche, etwas zu essen. Kotze in die Spüle. Der Koch ist sehr besorgt.
    »Es sind nur Bauchschmerzen«, beruhige ich ihn. »Nicht so schlimm.« Aber der Mann versteht vermutlich viel mehr Englisch, als er zeigt; er hat das Telefonat mit angehört. Vielleicht ist er barfuß herangeschlichen und hat auch unser Gespräch im Zimmer belauscht. Er stellt mir einen Eimer ins Zimmer. Eine Kanne Wasser, ein Glas. Ich esse noch eine Kleinigkeit. Erbreche mich wieder. Trinke etwas Wasser. Lege mich hin.
    Schlechte Tochter
    Ein Auto kommt zurück, es ist Alisons Wagen. Vater ist also nicht mitgekommen, er fährt nur mit seinem eigenen. Sie tritt ins Zimmer.
    »Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen, wahrscheinlich kommt er später«, teilt sie mit.
    »Ja.«
    Und so ist es. Ein paar Stunden später höre ich den Land Rover. Noch bevor der Motor abgestellt ist, fängt Alison im Wohnzimmer an zu heulen. Mein Magen zieht sich zusammen.
    »Was ist passiert?«, höre ich Vaters Kommandostimme im Wohnzimmer. Ich versuche, den Kloß im Hals hinunterzuschlucken, in meinem Magen rumpelt es. Das Meer braust in meinen Ohren, ich höre nicht, was Alison sagt. Seine Schritte nähern sich auf dem Flur, und als er zur Türklinke greift, lehne ich den Kopf über die Bettkante und erbreche Galle in den Eimer, spucke, schaue zu ihm auf und lasse den Kopf zurück aufs Kissen fallen. Er guckt auf mich herab, legt mir seine große raue Hand auf die Stirn. Seine Handfläche ist trocken, auf meiner Stirn steht kalter Schweiß. Ich stöhne, und ein Schluchzen entweicht meinem Mund, obwohl ich versuche, es zurückzuhalten.
    »So, Schatz«, sagt er, legt sich neben mich, nimmt mich in seine Arme und hält mich fest, schaukelt mich. »Wer hat das meinem kleinen Mädchen angetan?«, fragt er mit ruhiger Stimme – viel zu ruhig, so kenne ich ihn gar nicht. Vielleicht schlägt er jetzt zu. Ich erzähle die Geschichte und schluchze an der Stelle mit dem geplatzten Kondom. »Ich werde das in Ordnung bringen«, verspricht er.
    »Aber wie denn?«, heule ich. »Wenn ich nach England komme … und Mutter …« Ich komme damit einfach nicht zurecht.
    »Ich kenne einen Mann … einen tüchtigen Arzt. Ganz ruhig.« Er lächelt. »Als

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