Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
Vom Netzwerk:
arbeitet viel, und auch sonst lässt er mich in Ruhe. Alison ist damit beschäftigt, den Markt für Reiseagenten zu sondieren. Sie will verschiedene Spezialtouren durch Tansania organisieren, die von englischen Reisebüros als Teil größerer Reisen angeboten werden sollen. Sie setzt auf die südliche Safariroute, wo es weniger Verkehr gibt, außerdem ist die nicht so gleichförmig wie die nördliche Route. Und natürlich Sansibar.
    Ich liege meist im Bett oder sitze auf einem Stuhl auf der Veranda. Nach ein paar Tagen kommt Alison aus der Stadt und schaut mich eigenartig an.
    »Was ist das für eine Geschichte mit Stefano?«
    »Was soll mit Stefano sein?«
    »Dass Panos ihn mit einem Baseballschläger verprügelt hat?«
    »Ich … ich weiß davon nichts.«
    »Doch, du weißt genau Bescheid.«
    Alison hat mit Aziz geredet, der wiederum gehört hat, dass Stefano Prügel bezog, weil er irgendetwas mit mir gemacht hat. Stefano hat einen Schädelbruch, einen gebrochenen Arm und drei gebrochene Rippen; er hat seinen Geruchssinn verloren und Probleme mit den Gleichgewichtsnerven. Ich fange leise an zu weinen. Was soll ich sagen?
    »Er hat versucht … mich zu vergewaltigen.«
    »Nein!«, ruft Alison und hockt sich neben meinen Stuhl, umarmt mich linkisch. Und ich weine, ich kann überhaupt nicht wieder aufhören.
    »Und, ist es ihm …?«
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf. Ich weiß nicht, ob das bedeutet, dass es ihm nicht gelungen ist, oder ob ich nicht darüber sprechen will. Warum erzähle ich nicht, dass es Baltazar war? Weil er schwarz ist und Vater ihn umbringen würde? Stefano, nun ja, bring ihn um. Streng genommen hätte Stefano mich sicher auch vergewaltigt, damals an den Pferdeställen, wenn Ebenezer nicht gekommen wäre. Aber Baltazar hat es getan, und Stefano hat zugesehen. Alison hört nicht auf zu fragen.
    »Samantha, da … ist doch nichts passiert, oder?«
    »Du darfst Vater nichts davon erzählen, er bringt ihn um.«
    »Ist denn etwas passiert?«
    »Nein.«
    Schwester
    »Du bist krank!«, brüllt Vater – als wüsste ich das nicht selbst. »Du bist eine kleine kranke Mistgöre!« Er hört nicht auf, wiederholt sich. Alison steht hinter ihm und reißt entsetzt die Augen auf. Ich habe ihr von den Tabletten nichts erzählt.
    »Du kannst nicht hierbleiben und deiner Schwester zur Last fallen. In unserer Familie kommen wir allein zurecht.«
    »Sie kann gern hierbleiben«, widerspricht Alison, aber er hört überhaupt nicht zu.
    »So habe ich dich nicht erzogen!«
    »Du hast mich überhaupt nicht erzogen«, entgegne ich. »Du hast mich in Arusha ins Internat gesteckt, als ich zehn war.«
    »Gegen ein Internat spricht ja wohl nichts«, erklärt der Mann, der sein gesamtes Schulleben in einem Internat verbracht und dort unfassbare Prügel bezogen hat.
    »Nein, natürlich nicht. Du bist ja das beste Beispiel dafür.«
    »Jetzt werd nicht auch noch frech!«
    »Tja«, sage ich nur. Mich jetzt zu schlagen, wäre Kraftverschwendung; es ist lange her, dass es mich beeindruckt hat.
    »Hör jetzt auf«, fordert Alison ihn auf.
    »Alison wurde jedenfalls nicht dümmer von ihrem Schulbesuch«, sagt er.
    »Nein, Alison ist ja auch eine Scheiß-Heilige.« Ich schaue sie an. Sie zwinkert, schluckt und wendet den Blick ab.
    »Entschuldige«, sage ich zu ihr.
    »Du fährst zurück und beendest die Schule«, erklärt Vater mit erhobenem Zeigefinger und den üblichen Drohgebärden.
    »Vater!«, ruft Alison jetzt mit fester Stimme. »Komm mal her.« Sie dreht sich um und geht ins Haus.
    »Mit dir bin ich noch nicht fertig«, zischt er mir zu und folgt ihr. Ich höre Alisons Stimme: »Sie kann jetzt nicht ins Examen; sie wird hier bei mir wohnen, bis sie sich wieder erholt hat.«
    »Und was ist mit ihrem Examen? Sie kann nicht mal ein Stück Scheiße aufspießen, ohne dabei den Stock zu zerbrechen. Was glaubst du, wie sie in England zurechtkommen wird? Eure Mutter kann sie jedenfalls nicht versorgen.«
    Alison ist eine Weile still.
    »Sie kann nächstes Jahr zum Examen antreten«, sagt sie dann. Ich will nirgendwo antreten.
    »Ich soll also noch ein weiteres Jahr Schulgeld bezahlen, weil diese Göre nicht ganz klar im Kopf ist?«
    »Vielleicht kann sie ja zu einer Nachprüfung gehen. Ich werde in der Schule fragen«, schlichtet Alison. Sie könnte ihm erzählen, dass Stefano versucht hat, mich zu vergewaltigen. Ich könnte ihm erzählen, dass Baltazar es getan hat … wie würde er reagieren?
    »Alison«, sagt Vater. »Ich weiß

Weitere Kostenlose Bücher