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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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nicht, wie lange ich noch in Tansania bin. Ich kann mich nicht mehr um sie kümmern.«
    Und was passiert mit dem Samen, den er Halima eingepflanzt hat?
    »Nein, aber ich bin ja hier«, erwidert Alison.
    »Sie soll dir nicht zur Last fallen.«
    »Sie fällt mir nicht zur Last. Sie ist meine Schwester.«
    Ich denke an Panos … was ist mit Panos und Stefano? Und Baltazar? Die anderen sind aus den Lernferien zurück und machen ihr Examen. Ob ich das je schaffen werde? Ich rufe an und habe Tazim am Apparat.
    »Was läuft bei euch?«, erkundige ich mich.
    »Na ja, wir gehen zum Examen.«
    »Hm, und … was ist mit Panos und Stefano? Und Baltazar?«
    »Tja.« Tazim zögert. »Es gibt da die wildesten Gerüchte.«
    »Und zwar?«
    »Dass du Panos dafür bezahlt hast, Stefano zu verprügeln. Oder dass Baltazar dich geschwängert hat und deshalb nach Angola geflüchtet ist. Deshalb bist du auch nicht in der Schule.«
    »Ist Baltazar in Angola?«
    »Jedenfalls ist er aus den Lernferien nicht zurückgekommen.«
    »Und Panos?«
    »Die Polizei war hier und hat nach ihm gesucht. Niemand weiß, wo er ist.«
    »Ah ja.«
    »Sag mal, Samantha, was ist wirklich passiert?«
    »Was meinst du?«
    »Bei der Fete der Strand-Brüder.«
    »Baltazar hat versucht, mich zu vergewaltigen.«
    »Und warum hat Panos Stefano verprügelt?«
    »Weil er zugesehen hat.«
    Stillstand
    Vater ist wieder fort. Er hat vor einigen Jahren ein kleines Haus in Dar gekauft. Es wurde instand gesetzt, vielleicht will er es verkaufen. Wie auch immer, wir sehen und hören nichts von ihm, und das ist gut so.
    An den Vormittagen gehe ich ein bisschen im Viertel spazieren oder zum Strand, um im Oysterbay Hotel eine Cola zu trinken, zu rauchen und in die Luft zu starren.
    Ich müsste Christian schreiben. Mir ist eingefallen, dass ich ihm geschrieben habe, als ich in Tanga war, aber seine Briefe habe ich nicht beantwortet. Er hat geschrieben, dass er kommen würde. In den Ferien. Aber ich kann nicht … Und warum soll ich mir die Mühe machen, ihm zu schreiben? Außerdem ist es mir peinlich – ich habe ihm geschrieben, dass alles vorbei sei. Aber so negativ denke ich nur, wenn ich ganz allein bin. Wenn ich irgendwo bin, wo das Leben schön ist, geht es mir gut. Dann kann ich auch gut sein. Und Christian spielt doch keine Rolle, jedenfalls kann er mir nicht helfen. Vielleicht sollte er besser zu Hause bleiben. Aber das ist mir alles so fremd, ich verdränge es. Wenn er kommt, muss ich ihm dann Gesellschaft leisten? Was will er eigentlich? Ist das gut? Nein.
    Abrechnung
    Alison und Frans sind mit ein paar holländischen Freunden nach Bagamoyo gefahren. Ich sitze auf der Veranda und rauche. Höre auf der anderen Seite des Hauses ein Auto. Der Koch geht hinaus und öffnet.
    »Samantha, Samantha!«, ruft er. Ich gehe zur Tür. Ein vierschrötiger Mann mit pechschwarzem Haar steht vor der Tür. Fuck.
    »Du musst mir erzählen, was passiert ist«, verlangt Stefanos Vater.
    »Fragen Sie doch Ihren Sohn«, antworte ich und ziehe an meiner Zigarette.
    »Sag es mir, jetzt!« Stefanos und Panos’ Väter betreiben beide Tabakfarmen bei Iringa und Morogoro.
    »Dein Sohn hat Prügel bezogen, weil er sich benommen hat wie ein Tier.«
    »Tsk«, schnalzt Stefanos Vater und wendet den Blick ab. »Ich weiß, dass es Panos war, aber ich muss wissen, warum. Mein Sohn ist gebrochen, er will nicht mit mir reden. Und Panos ist verschwunden, ihn kann ich nicht fragen. Aber ich brauche eine Antwort.«
    »Fragen Sie Ihren Sohn, er weiß genau, warum er Prügel bezogen hat.« Stefanos Vater geht einen Schritt auf mich zu.
    »Du sagst es mir jetzt sofort!«, zischt er und drückt mich an die Tür – so wie Stefano mich gegen den Pferdestall gepresst hat.
    »Dein beschissener Sohn hat zugeguckt, wie ich vergewaltigt wurde, verstehst du das? Ich habe um Hilfe geschrien, aber Stefano hat nur geglotzt.« Der Mann ist einen Moment stumm.
    »Vielleicht konnte er nichts tun.«
    »Er stand daneben und hat mich ausgelacht!«, schreie ich. Der Koch taucht auf.
    »Brauchst du Hilfe, Samantha?«, erkundigt er sich. Stefanos Vater tritt einen Schritt zurück.
    »Ich … ich glaube dir nicht«, sagt er. Ich fange an zu weinen.
    »Er stand direkt daneben und guckte zu, als ich vergewaltigt wurde«, wiederhole ich. Der Mann dreht sich um, geht.
    Blut
    Wir fahren in Frans’ Range Rover vom Restaurant nach Hause; träge wippend schaukelt der Wagen über die Straße, die Federung ist viel zu weich. Noch bevor er

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