Exil
hat ihm erklärt, es sei notwendig. Auf dem Weg zum Krankenhaus heule ich. Lasse Vater am Straßenrand anhalten. Würge Galle aus der offenen Wagentür. Es wird gehupt. Wir kommen an. Ich gehe zur Tür, krümme mich unter Magenkrämpfen zusammen, nervös.
Vater bleibt am Wagen stehen. Es ist nachmittags. Ich drehe mich um.
»Kommst du nicht mit rein?«
»Nein«, antwortet er. Die Stimme klingt belegt. Ich bleibe stehen und sehe ihn an. Er wendet den Blick ab. »Ich kann das nicht«, sagt er und zündet sich eine Zigarette an. Ich erbreche mich trocken in die Büsche an der Tür. Dann gehe ich hinein. Noch nie bin ich so nervös gewesen, im Vergleich hiermit war alles andere nichts.
Eine Krankenschwester nimmt mich am Arm und führt mich hastig über einen Flur ans andere Ende des Krankenhauses; vorbei an geschlossenen Türen von Krankenzimmern und durch ein Büro in einen Waschraum, in dem das Personal sich umzieht. Hier werde ich auf ein altes Eisenbett gelegt, abgeplatzte Farbe an den gewundenen Stangen von Kopf- und Fußende. Eine Abtreibung ist illegal. Ich habe Schmerzen im Unterleib. Glühende Ströme von Lava ergießen sich in meine Eingeweide. Shakilas Vater kommt. Ich werde zum Operationssaal geschoben. Das Krankenhaus ähnelt einem Schlachthof. Gleißendes Licht. Nackte Wände, rissiger Betonfußboden. Ich bekomme eine Maske aufgesetzt und muss von zehn rückwärts zählen.
Ich erwache im Waschraum. Draußen ist es dunkel. Abend oder Nacht? Allein. Das Licht ist eingeschaltet, ich kann Geräusche hören, aber niemand ist da. Der Kopf voller Watte, ein unangenehmes Gefühl im Unterleib, der Magen dreht sich. Das Kind ist nicht mehr in mir. Ich werfe mich auf die Seite, damit ich nicht auf die Decke spucke. Unter mir steht ein Eimer. Die Galle läuft. Davor hatten sie mich gewarnt: durch die Betäubung könnte ich mich erbrechen, darum sollte ich fasten. Das Geräusch lässt die Krankenschwester erscheinen.
»Wo ist es?«, will ich wissen.
»Was?«
»Das Kind.« Sie legt mir eine Hand auf die Stirn, fühlt meinen Puls.
»Das war kein Kind. Nur ein kleiner Same. Er ist jetzt weg.«
»Aber … ihr könnt doch nicht einfach … ich will es sehen.«
»Ich weiß nicht, wo es ist«, sagt sie. »Es ist am besten so. Jetzt ist es überstanden. Ich hole Mzee .« Sie geht.
Shakilas Vater kommt. »Alles in Ordnung«, verkündet er. »Es gab keine Probleme.« Es gibt eine Menge Probleme. Er lächelt mich an. »Jetzt kann es weitergehen.« Weiter?
»Weiter?«
»Ich weiß, wie schwer es ist, jung zu sein«, sagt er. »Aber du bist bereits eine Legende im Internat. Ich habe Geschichten von dir gehört, du willst dich nicht anpassen. Aber du wirst es schon schaffen, Fräulein Samantha.«
Ich versuche zu lächeln. Er tätschelt mir sanft die Wange: »Dein Vater kommt gleich, ich habe ihn angerufen. Und wenn du das Gefühl hast, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, kommst du direkt zu mir. Okay?«
»Ja. Danke.«
»Gut«, sagt er und geht hinaus. Shakilas Vater. Sein Reichtum ist enorm. Ihr Haus sieht nach nichts aus, das Krankenhaus ist verkommen, aber so ist das. Man darf in Tansania nicht zeigen, was man hat, es sei denn, man ist sehr mächtig. Sonst wird es nationalisiert oder einem auf andere Weise abgenommen. Und je besser etwas aussieht, desto mehr Geld fordern die Beamten, damit man die notwendigen Genehmigungen erhält. Aber der Mann hat zwei Kinder im Internat. Die Operationen müssen teuer sein. Und die Abtreibungen? Eine übliche Form der Geburtenkontrolle in Tansania. Es ist schwer, eine Spirale zu bekommen, und Antibabypillen zu beschaffen, ist fast unmöglich; und selbst, wenn es Kondome gibt, will der afrikanische Mann keinen Regenmantel tragen, wenn der Himmel sich öffnet.
Hundemedizin
Alison hat mit der Schule gesprochen. Sie haben sich darauf verständigt, dass ich nach Neujahr zurückkehre, die zweite Hälfte der zehnten Klasse noch einmal absolviere und die Schule mit dem Examen beende. Es sind noch fünf Monate. Bis dahin habe ich einfach nur frei.
Ich schlafe jeden Morgen so lange ich kann. Latsche ins Wohnzimmer, setze mich an den Esstisch und krame in ein paar Sachen, damit der Koch hört, dass ich wach bin. Er kommt herein.
»Möchtest du ein Ei?«
»Rührei. Und etwas Bacon.«
»Jawohl«, sagt er, obwohl er es hasst, Bacon zu braten – er ist Muslim. Aber der Job verlangt es. Ich gieße mir Saft ins Glas, die Kanne steht auf dem Tisch, rieche daran. Passionsfrucht aus der
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