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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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ich Alison gesehen habe, dachte ich an etwas viel Schlimmeres. Ich dachte, dass … es möglicherweise eine ernsthafte Krankheit ist.« Ich höre nur die Pause. Er dachte, Alison sei krank. Aber es ist nur seine schlechte Tochter, die Probleme macht. »So ein Unfall kann schon mal vorkommen. Es ist nur so ungerecht, dass immer nur ihr Mädchen damit klarkommen müsst.«
    Ich bin froh, dass er das sagt. Fange vor Erleichterung an zu weinen, obwohl das schwachsinnig ist, denn ich weiß genau, dass er nur so tut. Er ist ein Mann – und dieser ganze Mist läuft in einem sanften Strom aus ihm heraus. Wo lernen sie nur so etwas.
    »Du hättest das gleich sagen und nicht diese Tabletten nehmen sollen«, fügt er hinzu.
    »Ich … konnte nicht.«
    Er streicht mir übers Haar. Nein, ich wusste ja nicht, dass ich … schwanger bin. Aber jetzt hält er die Schwangerschaft für den Grund meines Selbstmordversuchs, und das ist gut so, denn für ihn ergibt es einen Sinn. Alles ist vergeben, Hauptsache, der Fötus verschwindet aus meinem Körper.
    Mulatte
    Wie viele junge schwarze Mädchen hat er im Laufe der Zeit quer über den Kontinent geschwängert? Und doch sieht man so gut wie nie Mulatten in Ostafrika. Sie werden als Dreck vom Markt bezeichnet, weil ihre Hautfarbe wie Staub aussieht. Was machst du, wenn du solch ein Kind bekommst? Mit der Scham leben? Nein. Wenn Huren gebären, fahren sie nach Hause zu ihrer Familie im Dorf. Die Scham ist groß, aber in der Stadt können sie ohne einen Mann, der sie in der ersten Zeit versorgt, kein Kind zur Welt bringen. Wie bei einem behinderten Kind ersticken sie es sofort, behaupten, es wäre tot geboren, und begraben es hinter dem Haus. Niemand hat die Farbe gesehen, denn die Leiche ist in eine Decke gewickelt. Keine Behörde sieht das tote Kind. Sie sind machtlos. Und das Kind muss sofort unter die Erde, bevor in der Hitze der Verwesungsprozess einsetzt. Meine Halbgeschwister verfaulen in der Erde. Mein Vater hat nur seine weißen Kinder behalten. Trotzdem ist es schön, von ihm getröstet zu werden. Er will mir helfen, wie es sich gehört. Vielleicht kann ich es schaffen.
    »Aber in England …«, sage ich. Meine Mutter.
    »Nein«, entgegnet er. »Nicht in England. Hier. Ich kenne hier einen Arzt. Das ist kein Problem. Er ist sehr tüchtig, in England ausgebildet.« Shakilas Vater; ich weiß, dass er es ist. Wer sollte es sonst sein?
    »Na ja … ich könnte es ja auch bekommen.«
    »Was bekommen?«
    »Das Kind.«
    Er streicht mir übers Haar.
    »Dazu bist du nicht alt genug.«
    »Aber …«
    »Du musst dir erst dein eigenes Leben aufbauen. Wie willst du mit einem Kind zurechtkommen, du bist doch selbst noch ein Kind.«
    Er hat Recht. Wie soll ich das schaffen?
    Vom Bett aus höre ich, wie Alison und Vater sich auf der Veranda unterhalten.
    »Und was ist mit Halima?«, will Alison wissen.
    »Sie hat das Kind verloren.«
    »Und was jetzt?«
    »Sie bleibt in Tanga.« Alison stellt keine weiteren Fragen. Er hat Halima bezahlt, klar – wie eine Hure. Vielleicht hat er ihr das Hotel überschrieben. Aber ist das die Wahrheit? Hat sie ihr Kind wirklich verloren?
    »Samantha will nicht zurück, das weiß ich genau«, sagt Alison.
    »Zurück?«, fragt Vater nach.
    »Nach England.«
    »Das hat sie nicht zu entscheiden.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich habe die Probleme mit diesem Kind satt!«
    »Sie bleibt hier bei mir, bis es ihr wieder besser geht«, erklärt Alison. Ich kann den Befehlston in ihrer Stimme hören; sehe es vor mir, wie sie ihn ansieht.
    »Na, okay«, lenkt er ein. Und dann: »Glaubst du wirklich an einen Unfall?«
    »Sie will mir nichts erzählen.«
    »Verflucht, sie ist doch nicht blöd. Als sie vierzehn Tage suspendiert wurde, hat sie es mit Absicht getan.«
    »Aber du kannst … ihr helfen?«
    »Um es wegzumachen? Ja.« Eine Weile sagen beide kein Wort. »Ich will verdammt nochmal wissen, wer das war«, sagt er.
    Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er von Stefano hört. Aber Stefano hat seine Prügel bezogen, das muss reichen. Und Baltazar? Er stirbt, wenn ich Vater erzähle … wenn ich das Wort Vergewaltigung ausspreche. Vater würde es nicht für mich tun. Es würde es tun, weil es in seinem Weltbild so erledigt werden muss. Er würde es auch nicht selbst tun. Er würde bloß eine Bestellung aufgeben und dafür bezahlen, nichts Besonderes.
    Waschraum
    Ich hocke vor dem Lokus und kotze, als Vater kommt. Ich habe fünf Stunden gefastet, wie Vater es mir gesagt hat. Der Arzt

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