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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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bin ich doch saukomisch oder grob, oder will ich mich hinter diesem Versuch nur verstecken?
    »Pfui«, sagt Frans.
    »Na ja, aber fragt ihr euch nicht, wo die ganze Scheiße hingeht? Das Baby scheißt in meine Schwester. Das ist doch eklig!«
    Alison versetzt mir einen Klaps.
    »Sie fangen erst damit an, nachdem sie geboren sind. Solange sie im Bauch sind, geht es über die Nabelschnur.«
    »Das ist so eine Art … Abwasserleitung?«
    »Samantha …«
    »Ja, okay. Ja, ich würde gern etwas essen, aber ich will gerade …« Ich zeige auf die Toilettentür. Gehe hinaus, heule, ohne ein Geräusch von mir zu geben, wasche mir das Gesicht, gehe in die Küche und zwinge mich, ein wenig zu essen.
    »Samantha?«, spricht Alison mich an.
    »Ja?«
    »Vater hat Probleme.«
    »Und?«
    »Und es könnte sein, dass sie ihn bald aus dem Land schmeißen.«
    »Was … heißt das?«
    »Dass seine minderjährigen Kinder auch ihre Aufenthaltsgenehmigung verlieren«, antwortet Alison. Sie redet über mich.
    Erbsünde
    Alison backt zu meinem achtzehnten Geburtstag einen großen Kuchen, und Mutter schickt mir neue Sachen und Sandalen. Vater taucht nicht auf, es ist also richtig schön.
    Eigentlich langweile ich mich, aber ich strenge mich an, um es Alison gegenüber so aussehen zu lassen, als wäre alles in bester Ordnung. Sie soll sich keine Sorgen machen. Wenn sie sich während der Schwangerschaft Sorgen macht, könnte das auf das Kind abfärben. So etwas kann jederzeit passieren. Jeden Vormittag laufe ich zur Oysterbay. Trete wütend in den Sand. Rauche eine Zigarette. Ich trage die Ray-Ban-Sonnenbrille, die mir Christian auf die Nase gesetzt hat, kurz bevor er verschwand. Durch das gefärbte Glas sehe ich, wie das Wasser meine Fußspuren am Strand verwischt. Na und? Spurlos. Ich schwimme ein bisschen mit Brille und T-Shirt, was sollte ich damit auch machen? Wenn ich sie am Strand liegenlasse, werden die Sachen bloß von irgendwelchen Typen mitgenommen. Als ich noch ein Kind war, kam so etwas nicht vor, aber jetzt taucht immer mehr Gesindel in der Oysterbay auf. Ich verlasse das Wasser. Laufe zu ein paar Grasbüschel, an denen ich meine Schachtel Sportsman und Streichhölzer unter einer Kokosnussschale versteckt habe.
    »Hallo, Samantha.« Ich bleibe stehen. Shakila sitzt auf dem umgefallenen Stamm einer Palme. Fuck, was soll ich zu ihr sagen? »Wie geht’s?«, erkundigt sie sich. »Hast du Malaria gehabt?« So sehe ich wohl aus: zu dünn, ausgelaugt.
    »Ja. Und Würmer. Und wie geht’s dir?«
    Sie zuckt die Achseln.
    »Ich studiere an der Uni.«
    »Okay, und heute hast du frei?«
    »Ich schwänze«, sagt sie. Shakila schwänzt – die Welt steht auf dem Kopf.
    »Was studierst du?«
    »Medizin.«
    Natürlich, wie der Vater.
    »Läuft’s gut?«
    »Nein«, erwidert sie und zieht eine Packung Zigaretten aus ihrem Kleid, hält sie mir hin. Ich setze mich neben sie, nehme mir eine Zigarette, sehe sie fragend an.
    »Mein Vater«, fügt sie hinzu und seufzt. »Die Lehrer hassen meinen Vater. Und das lassen sie an mir aus.«
    »Wieso hassen sie deinen Vater?«
    »Weil er früher dort unterrichtet hat. Aber dann hat er seine Privatklinik eröffnet, und das hat sie neidisch werden lassen. Und nun bekomme ich es zu spüren.«
    Ich weiß, dass Shakilas Vater in England studiert hat, als Tansania unabhängig wurde. Ihre Mutter ist eine Krankenschwester aus Jamaica, die ihr Vater in London kennengelernt hat. Sie sind geschieden, die Mutter wohnt jetzt in den USA . Die Stiefmutter soll die Pest sein. Shakila wurde von der ersten Klasse aufs Internat in Arusha geschickt, auf dem ich in der dritten begann. Ich kam dorthin, weil Alison bereits dort war, außerdem war die Schule in Tanga Mist. Und Shakila und ihr kleiner Bruder wurden im Internat untergebracht, weil ihre Stiefmutter sie nicht in Dar haben wollte.
    »Wie denn?«
    »Tsk«, schnalzt Shakila. »Ich falle bei Prüfungen durch, obwohl es in Ordnung ist, was ich abliefere. Und wenn ich bei der Nachprüfung einen anderen Prüfer bekomme, der meinen Vater nicht kennt, bekomme ich Supernoten.«
    »Fuck.«
    »Wir haben unter den Studenten eine Unterschriftensammlung organisiert, um uns über den Unterricht zu beschweren, alle haben unterschrieben. Aber ich wurde zum Rektor gerufen, er behauptet, ich würde dahinterstecken, ich hätte die Beschwerde geschrieben. Ich würde mich für etwas Besonderes halten, weil mein Vater eine Privatklinik hat. Neid und Hass.«
    »Und was machst du?«
    »Ich

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