Exit Mosel
entrüstete sich Gabi.
»Das habe ich keineswegs despektierlich gemeint«, entgegnete Meyer.
»Schließen sich bei dir ansonsten Können und gutes Aussehen gegenseitig aus?« Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr Gabi fort: »Wie kommt es, dass Sattler sie anruft und nicht uns?«
»Und sie unseren Job in der Klinik macht, und wir Deppen fahren nun brav hinter ihr her?«, fragte Meyer.
Die Fragen waren an ihn gerichtet, aber Walde ließ erst einmal die Scheibe in seiner Wagentür herunter. Der Streifenwagen vor ihnen schaltete Blaulicht ein, als er ein Durchfahrtsverbotsschild vor einer Unterführung passierte. Kaum hundert Meter dahinter wurde der Polizeiwagen langsamer. Aus dem Seitenfenster wurde ein Arm gestreckt.
Meyer steuerte den Wagen in die Einfahrt des Hauses. Walde sah den Kollegen nach, die mit eingeschaltetem Blaulicht davonrasten.
Konrad Holbach öffnete die Tür. Seine Haare waren frisch gefönt. Er trug einen dunkelblauen Trainingsanzug.
»Dürfen wir Sie kurz sprechen?« Mit diesen Worten ging Gabi an dem überrascht wirkenden Hausherrn vorbei in die Diele.
»Hallo?« Konrad Holbach folgte ihr ins Wohnzimmer. »Sie können hier nicht einfach eindringen!«
In dem knackenden Kaminofen sandte eine schwache Glut winzige Funken nach oben.
»Ist mein Kollege Grabbe hier?«, fragte Walde.
»Nein, wo ist Ihr Durchsuchungsbeschluss?«
»Und Ihre Frau?«, hakte Walde nach.
»Ich muss Sie bitten, das Haus zu verlassen!« Holbach bemühte sich vergeblich, seiner Stimme Nachdruck zu verleihen.
Gabi nahm das Festnetztelefon vom Tisch. Es piepte leise, als sie auf die Tasten drückte. »Warum haben Sie Ihre Frau vor zwanzig Minuten angerufen?«
»Was machen Sie da? Das dürfen Sie nicht!«, entrüstete sich Konrad Holbach.
»Bei Gefahr im Verzug dürfen wir das. Wir suchen unseren Kollegen Grabbe. War er hier?«
»Weiß ich nicht!«
Gabi drückte weiter auf dem Telefon herum und stellte es auf die Station zurück. »Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?« Sie ging zur Tür.
»Zweite Tür links«, murmelte Holbach.
Walde legte beide Hände auf den Wohnzimmertisch. »Wo ist Ihre Frau?«
»Keine Ahnung, vielleicht musste sie noch mal zum Krankenhaus.«
In der Diele ging Gabi neben einer Reihe von Schuhen in die Hocke. Der ockerfarbene Matsch an den Damenstiefeletten war hart. Er stammte weder vom Hof des Regattavereins noch vom Uferweg an der Mosel.
Die Tür zur Küche nebenan war nur angelehnt. Im Abfall unter der Spüle fand sie die Scherben einer Tasse und unter einem Haufen Teebeutel ein Mobiltelefon. Als sie Grabbes Dienstnummer wählte, klingelte es.
Gabi kam zurück und warf ein Handy auf den Wohnzimmertisch. »Wie kommt das Diensthandy meines Kollegen Grabbe in Ihren Abfall?« Sie hielt eine der Stiefeletten in die Höhe. »Und woher stammt dieser Lehm an diesem Schuh?«
Holbach sagte nichts.
Walde stockte der Atem. Das war genau die Farbe der Erde im Moselvorland an der Kenner Brücke.
Sein Handy klingelte. »Wir haben Grabbes Handy geortet«, teilte Sattler mit.
»Das haben wir gerade gefunden«, antwortete Walde.
»Das seiner Frau?«, fragte Sattler.
»Nein, das er gesucht hat. Wo ist das andere?«
»Es scheint sich zwischen Mosel und Ortsrand Kenn zu befinden.«
Walde sprang auf. »Beeilt euch!«
»Sie steigen hier ein.« Walde dirigierte Konrad Holbach zur hinteren Wagentür. »Gabi fährt!«
Meyer hatte seine Tür noch nicht zugeschlagen, als Gabi schon rückwärts auf die Straße setzte und mit durchdrehenden Rädern durch den Stadtteil zurück in Richtung Moselbrücke raste.
»Fahr’ schneller!«, forderte Walde vom Beifahrersitz.
Gabi konnte sich nicht erinnern, jemals von Walde oder einer anderen Person eine solche Aufforderung gehört zu haben. In der Einhundertachtziggradkurve hinter der Moselbrücke lotete sie den Grenzbereich des Wagens aus. Es nutzte nichts, wenn sie hier in die Leitplanke krachten, sie mussten Grabbe zu Hilfe kommen. Hinter der Kurve kreuzte sie einen Zubringer, um gleich auf der abschüssigen Auffahrt zur Autobahn Vollgas geben zu können, bevor es wieder runter auf die Landstraße ging. Über die Holperstrecke an den Kiesgruben kurvte Gabi im Rallyestil. Sie krallte sich ans Lenkrad. Alle anderen versuchten sich so gut wie möglich auf ihren Sitzen zu halten. Durch das Röhren des Motors hörten sie, wie der Schlamm aus den Pfützen gegen die Karosserie spritzte. Über ihnen war die Brücke zu erkennen. Es war nicht mehr weit bis zum Ende des
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