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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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keine Temperatur. Als sie ihre Magen-Darm-Probleme hatte, ja, da hatte sie Fieber. Sie brannte regelrecht. Einundvierzig Grad!« Sie zog an ihrem Zopf. »Doch das ging schließlich vorbei, und ich dachte, es würde alles gut werden. Und jetzt aus heiterem Himmel diese Anfälle. Es war wirklich beängstigend. Ich hörte etwas in ihrem Zimmer - wie ein Klopfen. Ich ging hinein, und sie schüttelte sich so stark, daß ihr Bett wackelte.«
    Ihre Lippen begannen zu zittern. Mit einer Hand hielt sie sich den Mund, mit der anderen umklammerte sie das Taschentuch.
    »Es muß furchtbar gewesen sein«, sagte ich.
    »Schrecklich!« Sie schaute mir in die Augen. »Doch das schlimmste war, dabeistehen zu müssen, ohne das geringste tun zu können. Die Hilflosigkeit - das ist das schlimmste daran. Ich wußte zwar, daß ich sie auf keinen Fall aufheben durfte, aber trotzdem… Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    Ihr Blick schweifte ab, als hätte sie plötzlich das Interesse verloren. Ich versuchte das Gespräch wieder in Gang zu bringen: »Sie hat wahrscheinlich gar nicht gelitten. Es gibt keinen Beweis, daß solche Anfälle Schmerzen verursachen.«
    »Das hat Dr. Eves auch gesagt«, erwiderte sie zweifelnd.
    »Ich hoffe, es stimmt, doch wenn Sie sie nur gesehen hätten danach - sie war schweißgebadet.«
    Sie schaute schweigend aus dem Fenster. Ich ließ ihr einen Moment Zeit, dann fragte ich: »Wie geht es ihr heute, abgesehen von den Kopfschmerzen?«
    »Gut, soweit ich das sagen kann. Sie ist ja kaum wach gewesen.«
    »Und die Kopfschmerzen, das war heute morgen gegen fünf?«
    »Ja, sie wachte auf davon.«
    »Vicki hatte da schon Dienst?«
    Sie nickte. »Ja. Sie hatte die Nachtschicht von elf bis sieben und hat dann die Frühschicht drangehängt.«
    »Sehr aufopfernd von ihr.«
    »Ja, sie ist eine große Hilfe. Wir können von Glück sagen, daß wir sie haben.«
    »Kommt sie auch schon mal zu Ihnen nach Hause?«
    Die Frage überraschte sie. »Nur ganz selten und nur, um guten Tag zu sagen, nicht beruflich. Bei einem ihrer Besuche hat sie Cassie das erste Häschen geschenkt, und jetzt ist Cassie ganz vernarrt in diese Dinger.«
    Sie sah immer noch verblüfft aus, doch anstatt sie darauf anzusprechen, fragte ich weiter: »Auf welche Weise hat Cassie Ihnen mitgeteilt, daß ihr der Kopf weh tat?«
    »Sie zeigte mit dem Finger darauf und weinte. Sie hat es mir nicht erzählt, wenn es das ist, worauf Sie anspielen. Sie spricht erst ein paar Wörter, zum Beispiel ›Hund‹ oder › Flasche‹, und selbst dann zeigt sie noch manchmal mit dem Finger auf die Dinge, die sie meint. Dr. Eves sagt, sie ist ein paar Monate zurück in ihrer Sprachentwicklung.«
    »Das ist nicht ungewöhnlich bei Kindern, die viel Zeit im Krankenhaus verbracht haben. Es behebt sich von selbst.«
    »Ich versuche, zu Hause mit ihr zu üben. Ich rede mit ihr, soviel ich kann, und lese ihr vor, wann immer es geht, das heißt, wenn sie nicht zu unruhig ist. Nach schweren Nächten ist es unmöglich.«
    »Kommen solche Nächte häufiger vor?«
    »Nicht sehr oft, doch sie machen ihr jedesmal sehr zu schaffen.«
    »Was passiert genau?«
    »Sie wacht auf, als hätte sie schlecht geträumt. Sie wälzt sich und strampelt, und ich nehme sie aus dem Bett und halte sie. Manchmal schläft sie dann sofort wieder ein, aber nicht immer. Und wenn sie lange wach bleibt, dann ist sie gewöhnlich am nächsten Morgen sehr unruhig.«
    »Wie äußert sich diese Unruhe?«
    »Sie hat Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Nach ruhigen Nächten kann sie sich oft für eine Stunde oder länger mit einer Sache beschäftigen. Solche Momente versuche ich abzupassen, und dann lese ich ihr vor oder rede mit ihr, damit sich ihr Sprechen verbessert. Würden Sie mir etwas anderes empfehlen?«
    »Nein, Sie scheinen genau das Richtige zu tun«, antwortete ich.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, daß sie nicht mit mir redet, weil es nicht nötig ist. Ich glaube, ich weiß, was sie will, ohne daß sie etwas sagen muß.«
    »Und so war es auch mit den Kopfschmerzen?«
    »Ja. Sie wachte weinend und strampelnd auf. Als erstes fühlte ich ihre Stirn, doch die war kühl. Und ihr Schreien klang nicht nach Angst, sie weinte vor Schmerzen. Den Unterschied kann ich inzwischen hören. Ich fragte sie also, wo es ihr weh tat, und nach einer Weile faßte sie sich an den Kopf. Damit war für mich klar, was ihr fehlte. Ich fühlte es einfach.« Sie schaute zum Kinderbett. »Wenn nicht erst gestern eine Tomographie

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