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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Kontaktlinsen, wodurch sich Bernsteinaugen offenbarten, die mir früher nie aufgefallen waren. Ihre Figur wirkte konturenreicher, akzentuierter. Sie war nie ein Schwergewicht gewesen, doch nun war sie wirklich dünn. Die Zeit war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Sie hatte die abschüssige Seite der Dreißiger erreicht. Ein Netz von Fältchen spielte um die Augenwinkel, und der Mund hatte eine gewisse Härte angenommen, doch ihr Make-up wurde gut damit fertig.
    »Schön, dich wiederzusehen«, sagte sie und ergriff meine Hand.
    »Schön, dich zu sehen, Steph.« Wir umarmten uns kurz.
    »Kann ich dir etwas anbieten?« Sie zeigte auf eine Kaffeemaschine, die auf einem Beistelltisch zwischen zwei Sesseln thronte. An ihrem Handgelenk klimperten vergoldete Kupferreife. Am anderen Arm eine goldene Uhr, keine Ringe.
    »Magst du normalen, einfachen Kaffee oder echten Cappuccino? Der kleine Kasten da bläst tatsächlich Dampf durch die Milch.«
    Ich lehnte dankend ab und schaute mir die Maschine an: kompakt, schwer, mattschwarz und Edelstahl. Deutsches Markenzeichen. Die Kanne war winzig, zwei Tassen nur.
    »Süß, nicht wahr? Ein Geschenk von einem Freund. War höchste Zeit, etwas Stil in diese Bude zu bringen.«
    Sie lächelte. Stil war etwas, worum sie sich früher nie gekümmert hatte. Ich lächelte ebenfalls und ließ mich auf einem der Sessel nieder. Auf einem weiteren Tisch, in Griffweite, lag ein ledergebundenes Buch. Ich nahm es zur Hand: eine Gedichtsammlung von Byron. Das Lesezeichen stammte von einem Buchgeschäft namens »Browsers« - ein verstaubtes, vollgestopftes Lädchen in Los Feliz, direkt oberhalb von Hollywood, das hauptsächlich Lyrik verkaufte. Eine Menge Schund und vereinzelte Schätze. Während meiner Praktikumszeit hatte ich manchmal dort meine Mittagspause verbracht.
    »Ein wunderbarer Dichter«, sagte Stephanie. »Er gehört zu meinen Bestrebungen, meinen Horizont ein wenig zu erweitern.«
    Ich legte das Buch zurück. Sie setzte sich auf ihren Arbeitsstuhl und drehte sich zu mir. Ich bewunderte ihre Beine, die, passend zu ihrem Kleid, in hellgrauen Strümpfen und Wildlederpumps steckten.
    »Du siehst großartig aus«, sagte ich.
    Sie lächelte wieder, beiläufig, aber herzlich, als käme das Kompliment nicht unerwartet, doch immer noch willkommen.
    »Du auch, Alex. Danke, daß du so kurzfristig kommen konntest.«
    »Du hast mich neugierig gemacht.«
    »Tatsächlich?«
    »Na klar, bei all diesen Andeutungen über Intrigen …«
    Sie drehte sich halb um, zog eine Akte aus einem Stapel auf ihrem Schreibtisch und legte sie ungeöffnet auf ihren Schoß.
    »Ja«, sagte sie, »kein einfacher Fall, soviel steht fest.« Abrupt stand sie auf und schloß die Tür.
    »So«, sagte sie, nachdem sie sich wieder gesetzt hatte, »was ist es denn für ein Gefühl, wieder einmal hier zu sein?«
    »Als ich hereinkam, wäre ich fast verhaftet worden.« Ich erzählte ihr von meiner Begegnung mit dem Sicherheitsbeamten.
    »Faschisten«, sagte sie heiter, und mein Gedächtnis kam in Bewegung: Beschwerdekomitees, in denen sie den Vorsitz geführt hatte, statt weißem Kittel Jeans, Sandalen und gebleichte Baumwollblusen. »Stephanie, bitte, nicht Doktor. Titel sind Ausgrenzungswerkzeuge der Machtelite«, war einer ihrer Sprüche gewesen.
    »Ja«, meinte ich, »es wirkte schon ein bißchen paramilitärisch.«
    Ihr Blick ruhte wieder auf der Krankenakte auf ihrem Schoß. »Intrigen, sagtest du. Ich würde eher sagen, wir haben es hier mit einem Krimi zu tun - wer war's, wie hat er's gemacht, hat überhaupt jemand etwas gemacht. Nur daß dies kein Agatha-Christie-Schmöker ist, sondern Wirklichkeit. Ich bin nicht sicher, ob du helfen kannst, doch ich wußte nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte.«
    Vom Korridor sickerten Stimmen durch die dünne Wand, Schimpfen und Zanken und Rennen und der Angstschrei eines Kindes.
    »Das ist ein Zoo hier«, sagte sie. »Laß uns verschwinden.«

2
    Die Cafeteria war fast leer. Stephanie führte mich zu einem Tisch am Ende des Hauptsaals. »Bist du sicher, daß du keinen Kaffee willst?« Ich kannte die Krankenhausbrühe und antwortete: »Danke, ich hab meine Koffeinquote für heute schon erfüllt.«
    »Also«, begann sie, nachdem wir uns gesetzt hatten, »es handelt sich um ein einundzwanzig Monate altes Kind namens Cassandra, oder Cassie, weiß, weiblich, voll ausgetragen, normale Entbindung, neun von zehn auf der APGAR-Skala. Das einzig Ungewöhnliche ist, daß kurz vor ihrer

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