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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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verstanden. Er hatte sein ganzes Bad vollgepflastert mit Bildern von mir. Da war sie sauer, das verstehe ich auch. Als er sich dann mal heimlich gemeldet hat, habe ich nur gesagt: »Wirklich, Mike, tu die Bilder runter. Das macht man nicht.«
    Aber was so Beuteschema oder Muster angeht, geht’s mir im Grunde genauso. Man hat so seine Suchbilder. Wenn ich mich nach einem Mann umdrehe, weil er mir gefällt, dann ist es garantiert ein Rock-’n’-Roller-Typ. Wilde Haare, wild angezogen, bis ich dann merke: Ach, ich könnte ja seine Großmutter sein. Das geht echt nicht. Außerdem glaube ich, jetzt hab ich’s durch. (Sie lacht.)
    Anna: Warten wir ab!
    Uschi (lacht noch mehr): Genau, you never know!

Neue Ziele. Aim high
    Irgendwie musste ich etwas finden, um Geld zu verdienen. Ich wurde nicht mehr so oft gebucht, sporadisch ging es aber eigentlich bis heute weiter. Also besann ich mich auf meine Talente: Gemalt hatte ich immer auf unseren Reisen, jetzt verkaufte ich Porträts, die ich auf Elfenbein zeichnete oder auf Leinwand malte, an Freunde. Mit Scrimshaw zu arbeiten hatte ich schon Anfang der achtziger Jahre gelernt. 1980 waren Bockhorn und ich in New York angekommen. Dann kam der 8. Dezember, an dem John Lennon umgebracht wurde, und wir wollten danach sofort die Stadt verlassen und gingen für einen Winter nach Florida.
    Das nächste Ziel war der Westen, den wir über kleine Straßen und Schleichwege »erfuhren«. Auf dieser Reise hatte Bockhorn auch das Angeln gelernt und ich das Arbeiten mit Scrimshaw. Dabei tätowiert man mit feinen Strichen oder Punkten in Horn oder Elfenbein. Daraus entstehen dann die Miniaturen. Das ist eine alte Gravurtechnik, sie stammt von Walfängern, die so die Zähne von Walrössern verzierten. Diese Technik entdeckte ich nun wieder und machte mit meinen Sachen auch etwas Geld, weil sie wirklich schön wurden. Für Sammler waren das begehrte Objekte. John F. Kennedy war zum Beispiel ein Scrimshaw-Sammler. In Europa kennt man diese Technik nicht so.
    Mit Silber zu arbeiten, das begann mich mit der Zeit zu interessieren, denn das bedeutete eine Weiterentwicklung, und ich beschloss, es ernsthaft zu lernen. Trotzdem war meine Situation zum Verzweifeln. Morgens wachte ich auf, und die Gedanken kreisten. Meine Familie zu Hause hätte es so gerne gesehen, wenn ich jetzt mit eingekniffenem Schwanz zurückkehren würde. Aber das war nicht meine Sache.

Neue Eltern
    Im Sommer, als es in Mexiko zu heiß wurde, bin ich nach L.A. gefahren und habe den Bus in Baja untergestellt. Ich konnte ihn ja immer noch nicht selbst fahren. Das machte in der ersten Zeit immer noch Mikee. Die ersten drei Jahre nach Bockhorns Tod bin ich im Winter dann immer wieder zurück nach Mexiko gereist. Im Sommer blieb ich in L.A. und wohnte bei Freunden. Wally und Joyce wurden so zu meinen amerikanischen Eltern. Ich habe sie regelrecht adoptiert nach Bockhorns Tod, die beiden sind wirklich living angels. So wie mein Razzo mich eines Tages adoptiert hat, als er bei mir auftauchte, habe ich sie angenommen. Ein echtes Geschenk in dunklen Zeiten.
    Was ich hier das erste Mal erleben durfte, war, dass mich »Eltern« rundum gut fanden, ja, stolz auf mich waren und auf das, was ich konnte und was ich war. Sie halfen mir wieder auf die Beine, und ich machte in der Zeit bei ihnen endlich meinen Führerschein. Jetzt konnte ich also selbst fahren, und mein Bus fand seinen Platz auf dem großen schönen driveway von Wally und Joyce.

Wally und Joyce

Auch die beiden hatten eine ganz spannende Lebensgeschichte. Als ich sie zusammen mit Bockhorn in Baja kennenlernte, wo sie gerade unterwegs waren und gelegentlich hier auftauchten, war Joyce Künstlerin, und Wally kümmerte sich um Haus und Hof. Er war früher bei der Feuerwehr gewesen und pflegte jetzt den Marihuanaanbau rund ums Haus in Temple City. Ein Ort mit irreführendem Namen: Hier steht kein einziger Tempel. Die beiden liebten auch Bockhorn über alles.
    In der Zeit, in der ich bei ihnen in L.A. war, arbeitete ich viel an meinem Schmuck. Sie hatten mir einen Nebenraum ihrer Garage zur Verfügung gestellt, in dem ich mir einen Arbeitsplatz eingerichtet habe.
    Einmal baute ich an einer größeren Geschichte und brauchte Metall. Wally fuhr mit mir in irgendeine Industriegegend, und als wir dort angelangt waren und ich am Suchen war, welches Stück für meine Arbeit passte, da erzählte Wally dem Verkäufer ganz stolz: »Imagine, she was in Playboy .« Er war so stolz auf mich, das

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