Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
Links die Hollywood Hills mit ihren Prachtvillen, die man von hier aus nur ahnt, und mittendrin die Wolkenkratzer von Downtown, die sich von hier oben wie ein paar vereinzelte Zahnstocher aus Edelmetall ausnehmen.
»Echt gut gemacht, Uschi, keine Wolke.«
»Reine Wunschkraft«, lacht sie.
Kennengelernt haben wir uns vor vier Jahren. Unser Verleger brachte uns zusammen, er wünschte sich ein Buch mit Uschi Obermaier, und die schlug vor, etwas über das »Altern ohne Anmut – ageing ungracefully« zu machen. Der Verlag stellte sich damals etwas anderes vor, eher in Richtung »Im Bett mit der Kommune 1, Mick und Jimi«, und Uschi winkte dankend ab. Sie hatte genug von ihrer sogenannten Groupie-Historie, die einerseits ihren Ruf als best bad girl befeuerte und die sie andererseits jahrelang erfolgreich ignorierte. Die atemlosen Storys über sie, ihr Leben und ihre Männer trugen ebenso bei zum Obermaier-Wahn der sechziger und siebziger Jahre wie ihre animalischen Flirts mit der Kamera und die Berichte über ihr wildes, zügelloses Leben. Für die Elterngeneration wurde sie zum Fanal für das Ende der zivilisierten Welt. Gleichzeitig wurde sie zur Mega-Projektion unerfüllter Wunschträume einer verkopften Generation, die sich nicht das traute, was Uschi lebte. Denn sie machte immer nur das, was Uschi wollte, und scherte sich nicht um Ideo logien. Deshalb interessierte es Uschi auch eher selten, was man über sie schrieb. Für sie war der Hype um ihre Person immer ein bemerkenswerter, manchmal auch sehr schmeichelhafter Nebeneffekt ihres Berufs. Heute reagiert sie auf alte Klischees und Schubladen genervt, wenn nicht gar empört. Da fühlt sie sich eingeengt und missverstanden. Es ist für sie an der Zeit, Images und Storys zu korrigieren und aus den Jahren zu erzählen, die auf den großen Hype folgten, als sie, wie sie sagt, »immer mal wieder am Arsch war, um danach wieder aufzustehen und weiterzumachen«.
Wir blieben trotz unseres im Ansatz gescheiterten Buchprojekts in Kontakt, schrieben uns gelegentlich. Ich erfuhr von ihrer Trennung von ihrem langjährigen Freund, die sie fast am Boden zerstört zurückließ, und versuchte, sie aus der Ferne und mit allem Respekt – wie coacht man ein Idol? – zu trösten. Ich erfuhr von ihrer Therapie, die sie begonnen hatte, um den Schmerz besser zu bewältigen, und von der Hoffnung, die wieder aufschimmerte, als sie die Fenster in ihre Vergangenheit und den Blick auf lange unsichtbare Facetten ihrer Persönlichkeit zu öffnen lernte. Es waren die Facetten, die sie in harten Zeiten nicht nur überleben ließen, sondern ihr auch eine unglaubliche Stärke verliehen. Irgendwann stand das neue Buchthema im Raum. Expect nothing – »Erwarte nichts«. Im Winter ging ich nach Los Angeles, und wir begannen an dem Buch zu arbeiten.
Immer noch stehen wir auf dem Plateau und versuchen mit zusammengekniffenen Augen, die Ausdehnung dieser zersiedelten Riesenstadt zu ermessen. Unmöglich. Dann gehen wir ein paar Schritte weiter und kommen zu einer aus Steinen angeordneten Spirale. Wir betreten sie, und dann enthüllen sich auf dem Weg bis zum Mittelpunkt wahre Schätze. Eine kleine Schale und eine Kette darin und daneben auf den Stein geschrieben »Love«, ein kleines Blumenarrangement und daneben ein Name, ein Tongefäß und bunte Steine. Eine leicht verwitterte Botschaft ans Universum, ein in Plastikfolie eingepacktes Notizbuch. Die Wunschspirale wird offenbar aber nicht nur von spirituellen Geistern besucht.
Uschi schimpft: »Meine Muschel ist gar nicht mehr da.«
»Ich dachte: Expect nothing?«, frage ich.
»Klar, aber wünschen ist immer erlaubt«, lacht sie.
»Aim high, jeden Tag! Dann geht’s auch weiter.«
Wenn ich morgens aufwache, …
… muss ich noch nicht mal den Kopf heben, um die Berge und den Himmel zu sehen. Ich genieße den Luxus, dazuliegen und in aller Ruhe zu überlegen, was ich mit meinem Tag mache, bis mich meine Hunde sanft anstupsen. Zeit zum Aufstehen. Ich gucke erst mal in die Runde, gehe auf meine Terrasse und begrüße ganz freundlich den Tag mit Verbeugungen in alle vier Himmelsrichtungen. Das schadet nie und fördert die Beweglichkeit. Dann geht’s los.
Eine Sache, die mir in der letzten Zeit viel Spaß macht, ist das Filmen. Es fing ganz bescheiden an. Ich bin mit meiner Kamera einfach ums Haus gegangen und habe damit begonnen, alles festzuhalten, was hier so kreucht und fleucht. Ja, meine kleinen Dokus über das Leben hier sind mir
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