Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
dass die Verstorbenen wieder zu uns zurückkehren in Tiergestalt.
Lizzy und mein Hund waren ein Stück weitergegangen, und ich habe ganz vorsichtig, fast geflüstert, gerufen: Lizzy, Lizzy, komm her. Sie hörte mich und kam mit leichten Schritten, auch mein Hund Zora war wieder bei mir. Die Eule und ich starrten uns unverwandt an. Ganz kurz hat sie die beiden anderen angeguckt, ein kurzes Zucken in der Pupille, und starrte dann weiter zu mir her. Ich war erschüttert und wusste, dass hier etwas Besonderes passierte, wusste aber zugleich nicht, was es war. In meinem Inneren sprach ich mit ihr: »Soll ich weitergehen, alleine?«
Nach ein paar Momenten entspannte ich mich und merkte, dass sie mit dem Rücken zu mir sitzt. Eulen können ja ihren Kopf um 180 Grad drehen. In diesem Augenblick drehte sie den Kopf zurück, so in dem Sinn: »Audienz over!« Ich war immer noch erstarrt und dachte: Was soll ich denn jetzt tun? Ich war regelrecht geschockt.
Und dann drehte die Eule ganz langsam den Kopf in Richtung Ausgang des Parks, und so verstand ich die message: »Geh und mach dein Ding. So wie: Das wird schon okay sein mit deinem Schmuck.«
Vor zwei Jahren besuchte ich Lizzy wieder. Sie ist im Winter immer in Mexiko, und wir haben noch mal geredet über die Geschichte mit der Eule. Dann sagte sie zu mir: »Uschi, du vergisst völlig den ersten Teil der Story.« Und tatsächlich hatte ich das weggeschoben oder einfach nicht mehr daran gedacht, vielleicht, weil es mir im Nachhinein doch ein bisschen seltsam vorkam. Bevor wir nämlich zum Flüsschen hinuntergelaufen sind, sagte ich wohl zu ihr, weil ich vorher irgendwann so eine Indianergeschichte gelesen hatte: »Mann, ich würde so gerne mein Totem-Animal finden.« In meinem Kopf war das natürlich etwas ganz Wildes, so wie die Raubkatzen, die ich als Kind schon so liebte. Ich wollte ja immer auch ein schwarzer Panther sein. Also stellte ich mir bei meinem Totemtier zumindest so etwas wie einen cougar, einen Berglöwen, vor.
Gott sei Dank hat es das Schicksal oder was auch immer gut mit mir gemeint, und wir trafen auf dem Spaziergang keinen Berglöwen. Ich hätte mir, glaube ich, in die Hosen gemacht, eine etwas uncoole Reaktion, wenn man seinem Totemtier begegnet, vermute ich. Dann sagte Lizzy noch: »Du hast nach deinem Totem-Animal gefragt, und dann haben wir die Eule gesehen.«
Für mich ist die Eule seither wie eine Art innerer Leitfaden. Die Eule ist tatsächlich mein Totemtier. Und jetzt leben die Eulen bei mir so nah um mein Haus herum wie bei keinem meiner Nachbarn und haben so viel Vertrauen, dass sie auch ihre Kinder in meinem Garten- und Hausbereich aufziehen.
An diese Kräfte in der Natur, diese spirits, glaube ich. Ich glaube an keine Religion, das ist mir zu eng, aber es sind bestimmte Dinge in der Luft, bestimmte senses, und die sagen mir, dass es wichtig ist, die Natur und Tiere zu respektieren. Diese Energie spüre ich jeden Tag, wenn ich bei mir vors Haus gehe. Die kann jeder Mensch spüren, der für die Natur sensibel ist.
Neue Lieben
Was war jetzt die größte Herausforderung für mich? Ich hatte Bockhorns Tod einigermaßen verkraftet, habe die Zeichen gesehen, dass er mich sozusagen entlassen hatte. Dass ich mein Ding weitermachen sollte, meine Silberschmiedeentwürfe, meinen Schmuck, weitermachen eben. Mikee war ein Trost, und meine Ersatzeltern Wally und Joyce stärkten und unterstützten mich auf eine feine, unaufdringliche und großzügige Weise.
Ich habe mir dann mein erstes Auto gekauft. Einen Maverick, ein sehr schnittiges Modell, zwar schon etwas älter, aber ich fand ihn so elegant, nachdem ich ihn in Midnight-Metallic-Blue hatte umspritzen lassen, weil die Farbe davor einfach nur grauslig war, und nannte ihn »Mavuar«. Mit dem war ich dann unterwegs nach Southwest und besuchte Freunde in Santa Fe.
Frieden schließen
Von zu Hause hörte ich nur über Bella, die mich mit Neuigkeiten aus München versorgte. Mit Unterstützung von meinem Vater und auch von meiner Mutter, die mit Hans verheiratet war, konnte ich ja nicht rechnen. Es hieß nur: »Nein, entweder du kommst zurück und arbeitest etwas Richtiges. So gibt es aber nichts.« Sehr rigoros. Ich sollte also immer noch bestraft werden, dass ich aus ihrer Enge und ihren Mustern ausgebrochen oder besser aufgebrochen war, dass ich mir mein Leben genommen hatte. Dass ich nicht mit Lebenslügen leben wollte wie mein Vater und nicht in der Enge, die ich beim Leben meiner Mutter empfand.
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