Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
mache ich keine Produkte für irgendeinen Markt, ich will immer etwas Schönes schaffen. Damals war ich leider noch sehr unerfahren …
Neue Liebe
Bei der Arbeit an diesem ersten Buch aber passierte etwas Wunderbares: Walter und ich haben uns ineinander verliebt. Er ist ein sehr schöner, sensibler Mann und ein unglaublicher Ästhet. In seinem Geschmack und Stil ist er sehr streng, auch mit seiner Arbeit. Da habe ich sehr viel gelernt. Mit ihm zusammen habe ich außerdem diese Technik entwickelt, Klapperschlangen einzufangen und im Kühlschrank zu chillen. Und wir haben mit unserer »Fax-Art« angefangen. Damals hatten wir alle noch diese Faxe mit Endlospapier auf Rollen, und darauf entstanden jetzt tolle Zeichnungen und Texte. Er hat mich gelehrt, mich weiter künstlerisch auszudrücken. Für mich wurde das zu einer idealen Ausdrucksform. Er hat mich in vielerlei Hinsicht auf neue Wege gebracht und war einer der wenigen, die mich verließen.
So kam ich also nach Topanga. Ich hatte es immer schon im Kopf, seit ich es damals mit Bockhorn zum ersten Mal besucht habe. Doch ich hatte ja im Leben nicht gedacht, dass ich mal nach Los Angeles ziehen würde. Aber wenn, dann auf jeden Fall nach Topanga.
Es war eine gute Zeit mit ihm in diesem anfangs total verfallenen, aber sehr romantischen Haus in Topanga, das im Sommer von einer wunderschönen üppigen Wisteria umrankt war. Ein Haus wie ein Märchenschloss oder vielleicht eher eine Märchenruine. Egal, die Miete war günstig, und da wir nicht viel Geld hatten, haben wir es mit der Zeit zusammen hergerichtet. In diesem Haus begegnete mir erstmals dieser Satz »Expect nothing« auf einer der Türen, wobei ich mir damals noch nicht viel Gedanken darüber machte. Während unserer Beziehung lief es nicht so gut mit Walters Karriere in L.A., und er wollte nicht von mir abhängig sein. Da war er zu stolz und auch edel. Andere hätten da keine Probleme, sich aushalten zu lassen. Ja, ich denke, das war der Hauptgrund, die Abhängigkeit. Der Altersunterschied hatte uns nie etwas ausgemacht. Ich mag jüngere Männer – aber auch gleichaltrige!
Eines Tages kam also ein Jobangebot aus Deutschland, und er reiste ab. Dort lernte er ein junges Mädel kennen und verliebte sich. Er rief mich an und erzählte es mir, und ich habe natürlich gekocht vor Wut. Was für eine Kränkung. Aber er war eben ein Edelmann und ist extra für eine Aussprache mit mir von Frankfurt nach L. A. geflogen. Hier hatte er Probleme mit seinem Visum und kam in Abschiebehaft. Das war wirklich schlimm, denn da wirst du hier in Amerika sehr schlecht behandelt, wie der letzte Kriminelle. Dann schickten die ihn einfach zurück, und er bereinigte das und versuchte, erneut zu mir zu kommen. Das war nobel! Ich kenne nur sehr wenige Männer, die das Zeug zu so einer Handlung haben. Die meisten ziehen doch ab und sind zu feige.
Zur gleichen Zeit hat sich Jale, eine ganz liebe und gute Freundin von mir, auch von ihrem boyfriend getrennt und wohnte bei mir. Dann saßen wir vier, Walter und ich, Jale und Thomas, zusammen in unserem romantischen Haus in Topanga und haben miteinander geredet und furchtbar geschimpft. Ich habe Walter angeschrien, was für ein Arschloch er sei, was für ein lauer Typ. Das hat er sich dann sehr tapfer über eine Woche lang angehört. Thomas hat gleichzeitig auf Jale eingeschimpft, und währenddessen haben wir uns betrunken. Das auszufighten war auf eine fast perverse Art und Weise lustvoll.
Jale
Ich habe Walter die Pest an den Hals gewünscht. Die hat er später auch wirklich gekriegt, denn mit seiner Freundin hat es gar nicht geklappt.
Aber ich fand es so stark, dass er sich mir aussetzte. Und ich kann entsetzlich toben. Das war wirklich klasse! Was das Gute dabei war: Wenn du so viel Wut und Verletztheit in dir hast und die Möglichkeit bekommst, das alles loszuwerden und auch noch an die entsprechende Person, dann ist das heilend. Deshalb bin ich über die ganze Geschichte schneller hinweggekommen. Ich konnte mein ganzes Gift loswerden und irgendwann auch sagen: Jetzt ist es gut, jetzt reicht’s. Er hat seine Strafe abgebüßt.
Heute geht’s ihm auch wieder gut. Er lebt in einer glücklichen Beziehung, hat einen kleinen Sohn, und wir sind immer noch sehr gut befreundet. Jedes Mal, wenn ich nach Berlin komme – heute arbeitet Walter dort auch als Art Director des deutschen Rolling-Stone- Magazin –, wollen sie auch, dass ich sie besuche.
Ich habe dann so langsam meinen Weg in
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