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Untätigkeit. Über Nacht ist sie veraltet, die einstige Abwäge-Hilfe. Kraft- und nutzlos hält sie Maulaffen feil, gafft und fühlt sich schuldig.
10.
Je kürzer die Tage werden, desto mehr ereignet sich. Ein Leben im Zeitraffer, jede helle Sekunde angefüllt.
Was verursacht diese Beschleunigung? Ist es das »Schicksal«? Der »Lauf der Dinge«? Oder bin ich selbst die Hauptverantwortliche, die Verursacherin? Wahrscheinlich weder noch. Denn was da auftaucht, im Dezember des Jahres 2000, bleibt unbestimmt, trägt keinen Namen und lässt sich nicht fassen.
Es wirkt als Teilchenbeschleuniger, als Katalysator, soviel ist sicher. Alles muss schneller und schnellstens geschehen, jetzt, gleich, sofort, und während der langen, langen Nächte. Die Ereignisse drängen sich aneinander. Ich bin irgendwo dazwischen.
So wie heute. Es ist der dritte Dezember, und ich stehe erneut in dem weißen, flachen Gebäude in der Fir Street und nehme am Gottesdienst teil. Der Grund für meine Anwesenheit ist simpel: Neinsagen und Neinhandeln sind zwei grundverschiedene Dinge … Ein »Nein« in eine Telefonmuschel ist nicht dasselbe »Nein« wie das »Nein« ins Gesicht einer Schwester.
»Ich gehe nicht mehr hin!« über den Ozean ins Leere zu rufen, ist nicht dasselbe wie ein »Ich gehe nicht mehr hin!« in ein Pastorengesicht. »Nein« zu handeln, wird zu einer der neuen Unmöglichkeiten.
Da bin ich wieder, tief im Bauch des weit und weiter abtreibenden weißen, einfenstrigen, holzkistigen Kirchenschiffs. Wir sind bereits auf hoher See, die alte Heimat längst unsichtbar, im Blau versunken, der Blick durchs Fenster sinnlos, nicht eine Möwe in Sicht.
Die Predigt ist vorbei, Zeit für Klaviermusik und private Gebete im Stillen. Köpfe senken sich aufs Brustbein, die Mehrheit schließt die Augen, betet blind, die Finger fest ineinander verkrallt. Vorne neben dem Pult gibt es eine kleine Bank, die zum Hinknien einlädt. Sie erinnert mich an zu Hause, an dröhnende Orgeln, an Weihrauchschwaden, an unseren gnomenhaften, dicken Pfarrer und daran, wie ehrfürchtig er diese devote Geste stets zelebrierte, mit welcher Ergebenheit er sich niedersinken ließ.
Auch hier in der Holzkiste gehen dann und wann Gemeindemitglieder nach vorne auf die Knie, weil sie ein besonderes Anliegen haben, und deshalb besonders inbrünstig beten, oder weil sie wenigstens öffentlich demonstrieren wollen, dass sie inbrünstig beten.
Ich habe ein besonderes Anliegen. Alle Menschen die mir lieb und teuer sind, tragen den » LOST «-Stempel, scheinen für immer verloren, verdammt zu einer Ewigkeit in der Hölle.
Ich gehe also nach vorne, knie mich hin, genieße die Bewegung, die sich so vertraut katholisch anfühlt, und versuche mein Glück. Während ich bete, bitte und hoffe, dass die Verdammnis meiner Liebsten nichts als ein Missverständnis, ein großer Irrtum ist, berührt mich Susanna an der Schulter. Mit ihrer schlaffen weißen Hand gibt sie mir ein Zeichen. Ich folge ihr nach, vorbei an der blind betenden Gemeinde, hinaus in den Gang und in Pastor Leroys Büro. Wir nehmen Platz. In einem langen karierten Baumwollkleid, das mich an die Geschirrtücher meiner Mutter erinnert, sitzt sie mir gegenüber, die Bibel aufgeschlagen im Schoß.
»As it is written, there is no one righteous, no, not one. Do you admit that you are a sinner?«, fragt sie, und mein Mund sagt »yes«, denn wenn ich mir irgendeiner Sache sicher bin, dann dieser.
»For the wages of sin is death«, liest sie weiter. Auch das erscheint mir schlüssig. Sterben werde ich definitiv, und da ich jung bin, kann ich den Tod nicht anders sehen denn als Strafe. Ich begreife ihn nicht als Erlösung. Noch nicht.
Susannas Stimme ist leise. Sie hält sich an der Bibel fest, überwindet ihre Schüchternheit und fährt fort:
»But God commendeth his love toward us in that, while we were yet sinners, Christ died for us.«
Wir blicken uns in die Augen. Ich zögere, unschlüssig, ob ich etwas sagen oder antworten soll. Das ist nicht das katholische Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Pfarrer und Gemeinde, in dem jeder seinen Text kennt.
Sie fragt mich:
»Do you believe that Jesus Christ took your sins upon himself and therefore paid the penalty for your sins by dying on the cross?
Do you believe that the blood of Jesus has washed away your sins?
Do you believe that he was buried and that he rose again on the third day, just as the scriptures said he would, victorious over sin and
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