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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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death?«
    Mir schwindelt von all den Fragen, meine Wangen werden heiß, ich weiß, jetzt, jetzt muss ich antworten. Los, antworte! Mein Mund bewegt sich, eine Stimme sagt: »Yes, I do.« Es ist meine.
    Damit ist es besiegelt. Der dritte Dezember wird zum Tag meiner Wiedergeburt durch Jesus Christus, zum Errettungsdatum, zum Moment, in dem all meine Sünden durch sein Blut abgewaschen sind und meine Seele dem Höllenfeuer entronnen ist. Von diesem dritten Dezember an muss mir klar sein, dass ich im Garten Eden wandeln werde, während meinen Eltern ewigliches Versinken im Lake of Fire vorherbestimmt ist. So und nicht anders wird hier in der Holzkiste geglaubt. Alle, die mich jetzt, da wir das Büro verlassen, beglückwünschen, sind fest davon überzeugt: I am »saved«.
    I am »born again«.
    Ich war darauf nicht vorbereitet.
    Die Frage lautete nicht: »Glaubst du, dass alle Katholiken, Evangelen, Juden, Buddhisten, Hindus und Moslems zur Hölle fahren werden?« Susanna hat mich nicht danach gefragt, was ich davon halte, dass Frauen keine Hosen tragen dürfen. Sie wollte nicht von mir wissen, ob ich es für wahr halte, dass die Erde in sieben Tagen erschaffen und 6000 Jahre jung sei. Es gab keine Diskussion, ob tatsächlich jede Musik, die nicht dem Lobpreis des Herrn dient, Teufelszeug sei. Ich musste ihr nicht ausdrücklich versprechen, nie ­wieder das heidnische Symbol zu schmücken, welches sich als »Christbaum« tarnt. Ich musste mich nicht verpflichten, keinen Sex vor der Ehe zu haben, und wurde auch nicht darauf aufmerksam gemacht, dass als einzige Tiere nur Pferde in den Himmel kommen. Weiße Pferde. Glaubst du, dass Menschen und Dinosaurier zugleich die Erde bevölkerten? Glaubst du, dass Regenbogen Zeichen für das Versprechen des Herrn sind; mehrfarbige, bogenförmige ­Postits, dass es keine Sintflut mehr geben wird? Das alles hat sie mich nicht gefragt.
    Nicht eine Frage nach den Glaubensinhalten hat sie mir gestellt, nur die nach meiner Glaubensbereitschaft. Ich wollte glauben; nicht sehen und dennoch glauben und zu den Seligen gehören. Die Tat­sache, dass wirkliches Sehen zu meinen Unmöglichkeiten zählte, drängte sich mir jeden Tag stärker auf. Ich bemerkte meine Blindheit und musste feststellen, dass meine Realität auf dem festen Glauben an ein korrekt verarbeitendes und damit Wahrhaftigkeit garantierendes Hirn gründete. Von Millionen von Reizen und Informationen umgeben, gab ich mich tagtäglich der Illusion hin, die wichtigen, rich tigen, wahrhaftigen mit der gütigen Hilfe meiner Synapsen-Täubchen herauspicken zu können, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Mein Sehen war nichts als Glauben.
    Die Sehnsucht nach Vertrauen und festem Grund vertieft sich, je schwärzer die Nacht, je undurchdringlicher die Dunkelheit wird. Auf die Entzauberung der eigenen Illusionen folgt das große Erschrecken.
    Wohin führt die Einsicht des Ausgeliefertseins an den Glauben, einen Glauben wider besseres Wissen, wenn nicht in tiefste Verzweiflung ? Was bewirkt diese wiederum, wenn nicht eine Sehnsucht nach Vergessen und Selbstvergessenheit?
    Wenn ich nicht wissen und nicht glauben kann, dann will ich fühlen. Ein Heißhunger nach Leben ist entfacht, ich denke nicht, sondern fühle, fühle, fühle nur, will die absolute Lebendigkeit.
    »Yes I do«, klang es von meinen Lippen.
    Im Laufe des Monats wird es mir gleichgültig werden, was diese Stimme von mir behauptete. Es hatte keine Bedeutung mehr.

11.
    Noch ist Dezember. Die Umwälzungen gehen weiter.
    Ich kündige Matt die Freundschaft, meine Vermieterin mir die Wohnung. Sie begründet meinen Rausschmiss mit dem Argument, die anderen Zimmer seien nicht zu vermieten, solange ein junges Mädchen im Haus wohne. Bezeichnenderweise bringt sie es nicht über sich, mir das von Angesicht zu Angesicht zu verkünden. Stattdessen telefoniert sie mit meiner Schwester, der gegenüber es ihr leichter fällt, sachlich, vernünftig und professionell zu klingen. Ich mache ihr keine Vorwürfe, zumal ich weder das Zimmer noch ihren Altweibergeruch vermissen werde und mir eingestehen muss, dass ich in der Sache mit Matt ganz ähnliche Vermeidungsstrategien anwende. Auf den Gängen und in der Mittagspause gehe ich ihm aus dem Weg, ignoriere mein allabendlich klingelndes Telefon; ein Verhalten, das den Sinn hat, unsere Beziehung auf undramatische Weise zu beenden und Matt die direkte Konfrontation mit der Wahrheit zu ersparen: dass er mich nicht mehr

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