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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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abgeklärt rollt er mit kurzgeschorenem Schädel und schwarzer Jacke an uns vorbei. Ob ihm mein Einzug recht, gleichgültig oder scheißegal ist, lässt er nicht durchblicken.
    Begeistert scheint er jedenfalls nicht gerade, es sollte wohl ursprünglich eine reine Männerbude werden, sein Reihenhaus. Ich werde das einzige Mädchen bleiben. Am Ende sind wir vier: Josh, Derrick, Blake und ich, vier Personen, denen drei Zimmer zur Verfügung stehen.
    Da Blake der letzte ist, der einzieht, muss er auf den Genuss von Privatsphäre verzichten, in den sauren Apfel beißen und sich trotz seiner 1,90 m, 150 Kilo und des Atemgeräts, das er zum Schlafen braucht, mit dem Platz unter der Treppe begnügen. Die Zahl der Mythen und Gerüchte, die sich um dieses Atemgerät und seine Funktion ranken, ist nahezu unendlich – ich weiß bis heute nicht, ob er nun Asthmatiker, Narkoleptiker oder ein extrem Fettleibiger war, dessen Körpermasse die Lungenflügel am Arbeiten hinderte. Jedenfalls schlief er ständig und in den unmöglichsten Situationen und Positionen ein, egal ob mit oder ohne Gerät.
    Als Blake mit Truck, Atemgerät und Macaroni-and-Cheese-Vorrat für mehrere Monate anrückte, hatten Josh, Derrick und ich die Schlafzimmer bereits unter uns aufgeteilt. Derrick besetzte den Master­bed­room, ich das kleinere Sandwichzimmer und Josh das dritte und letzte Zimmer am Ende des Gangs. Meine wenigen Habseligkeiten – ein Rucksack und ein Koffer voller Klamotten – ermöglichten mir einen Um- und Einzug in Rekordzeit.
    In meinem neuen Zimmer liegt ein Stück Schaumgummi auf dem Boden, das ist mein Bett. Links vom Schaumgummi klappert ein weißer Einbauschrank mit den Türen. Das ist alles. Schaumgummi, Schrank, Rucksack, Koffer, Teppichboden und oben rechts das Fenster­recht­eck. Wahrlich nicht viel. Um genau zu sein, sehr wenig. Aber es ist nicht braun! Es liegt an Joshs Seite.
    Die Wand zwischen uns ist dünn, sehr dünn.

12.
    Fragt mich jemand nach meiner Adresse, so lautet die korrekte und eindeutige Antwort nicht etwa »in der Centennial « oder »in Porter Creek«, sondern »at Josh’s«. »I’m living with Josh«, oder kürzer »at Josh’s house«, und sofort weiß jeder, wo und wie ich lebe: unter Joshs Flagge, im Stoner-Haus, das die Schulschwänzer nachmittags ansteuern, wo man immer auf dem Sofa schlafen und ein paar Gramm Spaß kaufen kann; im Partyhaus mit der zugeparkten Einfahrt, den Schlägereien im Hof und den Hanfpflanzen im Kleiderschrank.
    »At Josh’s«, das bedeutet: außerhalb der Aufsichtszone von Erziehungsberechtigten und Lehrkräften, eine mintgrüne Insel, auf der sich die Gesetzlosen zusammenrotten, vogelfreie, die keine Möbel und nichts im Kühlschrank brauchen, solange die Musik laut und der Stoff gut ist. Jeder Feierwütige findet irgendwann seinen Weg zu uns, sei es heute, morgen oder nächstes Wochenende. »Josh’s house« entwickelt sich zur Institution für das Jungvolk aus Porter Creek. Wenn es Abend wird, rücken sie an, rutschen uns auf dem ewigen Eis der steilen Einfahrt entgegen, nehmen Steckenbleiben, Anschieben und endlos durchdrehende Räder gerne in Kauf für eine Nase Freiheit, für einen Zug Vergessen, für Kippen und Alk auch für Minderjährige, für große Portionen Abenteuer und Wildheit mit Coolness-Appeal. Unsere Tür steht immer offen. Im Eingangsbereich türmt sich daher stets ein beeindruckender Haufen klatschnasser, ausgelatschter Turn- bzw. Skateschuhe ⁠…
    Hinter dem Schuhberg befindet sich die mit einem beigen, schalldämpfenden Läufer bezogene Treppe, auf der man entweder hinauf zu Wohnzimmer und Küche oder hinab zu den Schlafzimmern und zum Bad gehen kann. Im ganzen oberen Stockwerk gibt es keine Türen. Hat man sich für den Aufstieg entschieden, findet man sich im Wohnzimmer wieder, das in Esszimmer und Küche übergeht. Eine geschmacklose Lampe mit orangefarbenem Schirm markiert den Ort, an dem der Esstisch der Vormieter, die ihr Abendmahl offenbar gerne gut ausgeleuchtet zu sich nahmen, gestanden haben muss. Wir besitzen keinen Tisch, auch keine Stühle oder sonstigen überflüssigen Schnickschnack, nur Sofas.
    Im Wohnzimmer stehen gleich zwei dieser Polstermonster, über deren Herkunft ich nichts weiß. Vermutlich hat Josh sie aus dem Sperrmüll gezogen. Jetzt leisten sie dem Fernseher und der Playstation Gesellschaft.
    Fast hätte ich den Baum vergessen!
    Im Licht der orangefarbenen Hinterlassenschaft der Vormieter steht lange, allzu lange, ein

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