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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Überwachungskamera war. Ein fliegendes Auge; ich muss dringend mal checken, ob mein Zeitgefühl noch in Ordnung ist. Nachdem wir die dunklen Bomben passiert haben, nimmt John wieder den Faden auf.
    »Der Datacorp blieb also nichts anderes übrig, als einige Veteranen aus dem Regierungsapparat, die mit den alten Systemen noch vertraut waren, aus ihrem Ruhestand zu holen. Nachdem wir so die Probleme gelöst hatten, fiel uns auf, dass sich viele Corporations und Agencies mit ähnlichen Sorgen herumschlugen. «
    Agencies?
    »Der Millennium Bug«, werfe ich ein, um ein wenig Kompetenz vorzutäuschen. John schreitet unbeeindruckt voran; an dieser Stelle hatte er wohl mehr erwartet.
    »Sicher. Aber das war nur die Spitze des Eisbergs. Von den meisten Legacy-Problemen liest man nichts in der Zeitung. Es ist eben schlecht fürs Image, wenn alle Welt erfährt, dass die eigenen Rechner im Grunde genommen Antiquitäten sind. Trotzdem passieren fast täglich Unfälle, weil Systeme völlig veraltet sind, vor allem bei den Banken. Im Juni 2006 zum Beispiel brach an der Börse in Tokio der gesamte Anleihemarkt zusammen, weil das elektronische Handelssystem aus den Achtzigerjahren streikte. Wir mussten damals unsere Spezialisten mit einem Helikopter auf dem Dach eines Handelshauses in der City absetzen, weil der Auftrag so dringend war.«
    Die Geschichte scheint John richtig zu begeistern. Er bleibt sogar kurzfristig stehen, um mit der Hand eine Geste zu machen, die ich als landenden Hubschrauber deute. Dann doziert er weiter.
    »Wo Sie gerade Y2K erwähnen: Viel größere Probleme macht uns immer noch der Dotcom-Boom: Damals haben nämlich Tausende von kleinen Firmen innerhalb weniger Jahre umfangreiche Netzwerke aufgebaut - und sind kurz danach pleitegegangen. Seit diesen Tagen steckt das Netz voller Router und Switches, für die es keine Updates mehr gibt und oft auch keine Dokumentation - perfekte Einfalltore für Aggressoren jeder Art.«
    Aggressoren - ein schönes Wort. Das hätte uns als Jungs gefallen. John fährt fort: »Ab und zu werden wir auch von den Strafverfolgungsbehörden angesprochen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Fall Kampusch: Das österreichische Mädchen wurde 1998 gekidnappt und von einem Irren acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen gehalten, irgendwo in der Nähe von Wien. An dem Tag, als ihr die Flucht gelang, warf sich ihr Kidnapper vor eine Straßenbahn. Damit war der Fall natürlich abgeschlossen, doch die Polizei wollte auch die Details klären, zum Beispiel, warum das Versteck mitten in einem Wohngebiet so lange geheim bleiben konnte. Dabei stieß man auf ein Problem: Der Täter hatte alle Informationen auf einem Commodore 64 gespeichert - und mit dem kannte sich keiner der Computerforensiker aus. Wir haben einen unserer Experten für ein paar Tage an die Wiener Polizei ausgeliehen, um die Sache aufzuklären, inoffiziell natürlich.«
    Natürlich. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie der Experte stundenlang über Textomat Plus gehangen hat, nur um ein paar alte Einkaufslisten auszugraben. Langsam finde ich, John könnte zum Punkt kommen, doch er macht keine Anstalten, seine Geschichte abzukürzen, sondern dröselt immer mehr Details auf. Anders als bei Nick traue ich mich nicht zu drängeln, schließlich spreche ich hier mit einem richtigen Erwachsenen.
    »Anyway. Da die Nachfrage so groß war, entschied sich die Datacorp, eine Business-Unit abzuspalten, die sich auf Probleme mit alten Computersystemen spezialisiert und auch im Auftrag Dritter arbeitet - eine Rapid Reaction Force, so eine Art von Feuerwehr.«
    Okay, Rapid Reaction Business Unit. Ich finde, dass es langsam Zeit für die große Masterfrage ist. Nach all den Strapazen ist das nicht zu viel verlangt. Ich reiße mich also zusammen und versuche, nicht völlig naiv zu klingen: »Was habe ich damit zu tun? Und warum der ganze Aufwand mit Raid over Moscow ?«
    John bleibt stehen, um sich kurz umzudrehen. Erst jetzt scheint ihm einzufallen, mit wem er überhaupt redet, und vor allem, warum; für einen Moment sieht er überhaupt nicht wie der durchtrainierte Astronaut aus, sondern eher wie ein verwirrter Forscher. Ich bemerke eine kleine Schweißperle unterhalb seines Kehlkopfes, die sich löst und langsam in Richtung Hemdkragen kullert. Immerhin - er ist auch nur ein Mensch.
    »Yeah, right, die Sache hat uns selbst überrascht«, er schüttelt den Kopf etwas entschuldigend, »wie Sie sich denken können, haben die Majestic

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