Extraleben - Trilogie
Altair, das Schwarz eines Schneider Heimcomputers, das Lila einer Silicon Graphics Onyx; haben sie damit nicht die Effekte bei »Starship Troopers« gerechnet? All die Traummaschinen, die wir nur aus Büchern kennen, stehen vor mir nebeneinander aufgereiht und warten darauf, eingeschaltet zu werden. Aber irgendwie habe ich gar keine Lust, sie einzuschalten. Dieses Retroparadies, für das ich zuhause alles gegeben hätte, interessiert mich nicht mehr. Ich muss an Weihnachten 1980 denken, das Jahr, in dem ich mir Luke Skywalkers X-Wing-Jäger gewünscht hatte: Auf dem Schulhof war »Krieg der Sterne« immer noch das Topthema, und wir Jungs vergruben uns in jeder großen Pause in die Kataloge der Firma Kenner, die das Spielzeug zum Film lieferte. In Gedanken malte ich mir immer wieder aus, an welcher Stelle des Raumschiffs ich welchen roten Aufkleber anbringen würde, um am Abend der Bescherung bloß keine wertvolle Spielzeit zu verschwenden. Schließlich kam der große Abend, ich sagte mein Gedicht auf, riss das erstbeste Paket auf und hielt das geliebte Stück Plastik in der Hand. Es war das absolute Glück. Aber gerade als ich die Flügel in XPosition gebracht hatte, um zum Angriff auf den Todesstern anzusetzen, unterbrach mich mein Vater.
»Willst du nicht auch die anderen Geschenke aufmachen?«
Widerwillig legte ich also meinen Schatz weg, friemelte das nächste Paket auf und fand darin - Darth Vaders TIE-Fighter! Unfassbar, mit Sicherheit das zweitcoolste Raumschiff des Films! Niemals hätte ich es gewagt, mir neben dem X-Wing auch das noch zu wünschen; insgeheim hatte ich Lord Vaders Jäger natürlich schon für den kommenden Geburtstag vorgemerkt, aber beides zusammen? Undenkbar. Da saß ich also und wusste nicht, auf welches Raumschiff ich meine Begeisterung als Erstes loslassen sollte. In diesem Moment passierte etwas Seltsames: Keines der Raumschiffe war mehr interessant, als ob sie die Macht auf einmal verlassen hätte. Ich holte mir eine Marzipankartoffel aus dem bunten Teller und schaute zu, wie meine Schwester ihren Ballettkalender auspackte. Ich drehe mich um und frage John.
»Ein Museum?«
Er lacht.
»Auch.«
Betont gemächlich verlässt er seinen Aussichtspunkt neben der Tür und schlendert zu mir rüber.
»Aber eigentlich ist das unser Rechenzentrum.«
Ohne anzuhalten, geht er an mir vorbei zu einem der Tische und hebt dort einen kleinen Gegenstand auf. Da er mir dabei den Rücken zuwendet, kann ich nicht erkennen, was es ist, und als John zu mir zurückkommt, umklammert er das Ding so fest mit seiner Hand, dass ich wieder nichts sehen kann.
»Wie Sie wissen, lassen sich die meisten Legacy-Probleme heutzutage an Emulatoren lösen.«
Er zeigt zum PDP-8 herüber.
»Die Simulation dieses guten Stücks zum Beispiel frisst auf einem modernen Rechner weniger als ein Prozent der Prozessorleistung. Die Handbücher sind digitalisiert, die Laufwerke virtualisiert, es gibt eigentlich keinen Grund, ein solches Monster aufzubewahren. Oder sagen wir: fast keinen Grund. Doch wir haben festgestellt, dass wir bei unserer Arbeit häufig einen Punkt erreichen, wo es ohne die Original-Hardware nicht mehr weitergeht.«
Endlich öffnet er die Hand und streckt mir ein kleines Plastikkästchen entgegen. Es ist so groß wie eine Streichholzschachtel, und an der Vorderseite hängt ein Stück Tape heraus, wie bei einer Musikkassette.
»Wissen Sie, was das ist?«
Ausnahmsweise erwischt mich John auf dem richtigen Fuß.
»Ein Sinclair Microdrive?«, sage ich vorsichtig.
»Korrekt, 85 Kilobyte Kapazität auf einem Endlosband. Mitte der Achtzigerjahre im Modell QL verwendet. Schnell, aber störanfällig «, ergänzt mein Gastgeber zufrieden. Ich bilde mir ein, dass sich unsere Geekvibes langsam aufeinander einschwingen.
»Wenn sich die alles entscheidende Information auf so einem Ding befindet, hat es sich aus-emuliert. Sie brauchen das passende Laufwerk, am besten am ursprünglichen Rechner. Und das Gleiche gilt für alte 8-Zoll-Disketten von IBM, für 3-Zoller von Joyce, für Lochstreifen.«
John unterbricht kurz und zwinkert kurz mit einem Auge.
»Okay, bei Lochstreifen gibt es auch andere Wege. Aber die meisten Dead Media bleiben tot, solange man nicht das passende Lesegerät findet. Mit dem Rechner selbst ist es das Gleiche: Der beste Emulator tickt eben nur zu 99,9 Prozent so wie das Original. Oft sind die Bugs nicht berücksichtigt, oder die Eigenheiten der Hardware. Welcher Emulator weiß schon, wann auf
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