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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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seine obskuren Geek-Trivialitäten doziert, und wie er es wahrscheinlich auch tut, wenn ich mein Wissen präsentiere, von dem ich mir einbilde, es noch nie erzählt zu haben. Aber das ist meistens wirklich Einbildung, da muss ich Nick Recht geben: Wir beide haben alle unsere Geschichten schon einmal erzählt, und zwar mindestens einmal; das bleibt nicht aus, wenn man ein halbes Leben lang zusammen rumhängt. Wie bei einem alten Ehepaar eben. Wir haben teilweise sogar aufgehört, den anderen darauf hinzuweisen, wenn der wieder mal eine Wiederholung sendet, sondern ertragen einfach still die Storys des anderen oder versuchen, in der Erzählung kleine Abweichungen von früheren Versionen zu entdecken. Irgendwas muss ja geredet werden. Trotzdem fehlt mir Nick irgendwie - auf so eine neutrale Kumpelart natürlich, wie Kirk ohne Spock vielleicht. Diese spröde Sachlichkeit, mit der er alles vorträgt, beruhigt auf Dauer ungemein; das ist, als ob immer ein deutscher Ingenieur von der Lufthansa dabei ist, der einem versichert, es gäbe für alles eine technische Lösung. Gott, wie gerne würde ich mir jetzt sein Allzeit-Lieblingsmärchen aus der Kategorie »Wusstest du schon, dass ...« anhören: die Rods from God . Die Geschichte fängt immer gleich an: »Wusstest du schon, dass die USA seit den Achtzigerjahren mit kinetischen Energiewaffen experimentieren?«
    Kinetische Energiewaffen - ein klassischer Einstieg! Keine Nick-Story wäre komplett ohne diese pseudowissenschaftlichen Schlagworte, mit denen er seine Fantastereien immer ausschmückt. Er legt Wert darauf. seine Märchen so detailliert wie möglich aufzudröseln, weil er meint, dass sie dadurch glaubhafter klingen. Die Rods from Gad -Legende jedenfalls geht so: Laut Nicks Geheimquellen planen die Amerikaner, in der Erdumlaufbahn Satelliten zu stationieren, die mit zehn Meter langen und dreißig Zentimeter breiten Stäben aus Tungsten, einem seltenen Metall, bestückt sind. Ja, die genauen Abmessungen sind wichtig. Nach dem Abwurf würden diese Metallpfeile dann mit 36000 Fuß pro Sekunde, so schnell wie ein Meteor, auf der Erde einschlagen und eine gewaltige Explosion auslösen. Um den Luftwiderstand zu senken, würde ein Laser - weiterer Pflichtbestandteil jeder Geschichte - die Luft vor dem Stab vorher einfach wegbrennen. Tadaa, schließlich die Pointe: »Der Effekt wäre der gleiche wie bei einer thermonuklearen Explosion, bloß ohne die lästige Strahlung!«
    Was würde ich mich freuen, wenn die Tagesschau demnächst eine Meldung darüber bringt, dass die USA eine neue kinetische Energiewaffe erfolgreich getestet haben. Nick hätte diesen kleinen Triumph verdient. Was er die letzten Wochen wohl gemacht hat? In der Redaktion hieß es, er habe sich krankgemeldet. Mandelentzündung oder so, frühestens in drei Wochen sei er wieder da, meinten die Kollegen. Unsinn, wahrscheinlich feiert er nur seine Reunion mit Sabina, Pärchen-Power every hour. Sie machen Liebe - Sabina ist eine, die so was ernsthaft sagt -, bringen danach ihre Baufi für die Doppelhaushälfte an der A4 auf den Weg oder gehen am 20-Prozent- Rabatt-Tag in den Baumarkt, um sich schon mal einen Laubwegbläser zu kaufen. Dann sei es eben so.
    »Kapputt!«
    Schon wieder hat mich die SS erledigt, nicht mal eine Sekunde, nachdem ich das Verlies betreten hatte. Es ist höchste Zeit für eine Pause. Sobald ich die Augen schließe, rollen schon diese dunklen Wellen über die Netzhaut, mit denen das Gehirn signalisiert, dass es gerne Schlaf hätte. Es war ein anstrengender Tag: Von neun bis sechs den Prakti de Luxe in der Redaktion spielen, danach ohne Umweg nach Hause und vor dem Bildschirm das nächste Dokument durcharbeiten. Vor allem an Tagen wie heute, mit 25 Grad im Schatten, fällt es mir schwer, den Rhythmus einzuhalten. Anders als Nick, der über das Wetter nie auch nur ein Wort verliert, spüre ich dann immer den Drang, mal rauszugehen. Durch das halboffene Fenster zieht der Geruch von Asphalt herein, auf den von morgens bis abends die Sonne gebrannt hat, und man hört, wie die Kinder unten auf der verkehrsberuhigten Straße kreischen. Normalerweise nervig, doch an diesem Spätsommerabend auf eine seltsame Weise beruhigend. Ich schaue raus. Zwei kleine Mädchen haben mit Kreide ein paar Platten auf dem Gehweg gelb umrandet und springen auf ihnen herum. Wie heißt das noch mal - Hüpfkästchen? Da ich durch die Zockerei ohnehin aus dem Tritt bin, kann ich auch richtig Pause machen. Ich stehe auf und

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