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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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zumindest gehabt: Währenddessen hat sich der Ratgeber-Reigen weitergedreht, und der Saure-Gurken-Klassiker »So erhalten Sie sich die Urlaubsentspannung« ist so an mir vorübergezogen, samt dem unvermeidlichen Hinweis »Räumen Sie Ihren Schreibtisch vorher auf!«.
    Da wir selbst den Tipp natürlich nicht befolgt hatten, habe ich zwanzig Minuten gebraucht, um unter Nicks Stapeln den Themenplan zu finden, den die leitende Redakteurin einmal pro Monat reinreicht. Als ich ihn schließlich in der Hand hielt, wünschte ich mir, ihn nicht gefunden zu haben: Die nächsten Wochen verheißen nichts Gutes; schon auf den ersten Blick stachen reichlich »So«, »Wie« und »Sie« ins Auge: »So überwinden Sie den inneren Schweinehund«, »Wie Sie die ersten hundert Tage überstehen«, und das Allerschlimmste: »Liebe im Büro - so gehen Sie damit um«, Nach dem Ende der Lektüre hatte man den Eindruck, der Leser würde ohne die helfende Hand der Redaktion auf offener Straße einfach stehen bleiben und sich spontan entleeren. Nachricht an mich selbst: In der nächsten Konferenz dringend das Thema »So atmen Sie« vorschlagen. Zweite Nachricht an mich selbst: Aufhören, Nachricht an mich selbst zu sagen, weil total peinlich und Ferris-Büller-artig. Oder war das Parker Lewis, der »Coole von der Schule«, den auf unserer Schule zumindest keiner cool gefunden hätte? Für heute ist es genug mit dem Lernen. Jetzt was essen oder - genau, das ist es - spazieren gehen ! Habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht. Nicht Richtung Biergarten marschieren, nicht noch schnell in den Supermarkt hetzen oder eine Pizza holen - nein, ich werde einfach nur einmal um den Block laufen, flanieren, ohne Sinn und Ziel. Also streife ich mir ein neues lachsfarbenes Polohemd über und gehe runter. Jemand hat - böse, böse - die Haustür offen gelassen, sodass die Abendsonne hereinscheint und den Teppichboden im Flur ausbleicht. Nick nennt meine Wohnung wegen der bordeauxroten Auslegeware im Treppenhaus immer »das Dorint«.
    Ich finde, damit tut er dem Haus Unrecht, schließlich hat der Apartmentblock bis auf den Teppich nicht viel, was ihm Klasse verleihen könnte. Außerdem dämpft die Auslegeware den Kinderlärm. Ein Meter hinter der Haustür überfällt mich ein ganz neues Lebensgefühl. Gerade, als ich an den Hüpfkästchen vorbeihuschen will, lacht mich eines der Mädchen an, was sonst nie passiert, da Kinder wie Hunde sind und meine Angst riechen können. Heute jedoch strahle ich anscheinend nicht die üblichen Sonderling-Vibrationen aus, die sonst immer drei menschenfreie Meter um mich herum garantieren. Ich fühle mich wie ein Sonnyboy, lächele zurück und bin kurz davor, etwas Belangloses zu sagen wie: »Na, darf ich mitmachen?«
    Nick würde mich nicht wiedererkennen. Kein Zweifel: Etwas Besonderes liegt heute Abend in der Luft, irgendein Stoff, der die Menschen dazu veranlasst, sich wie Statisten in einem Musikvideo aufzuführen. Plötzlich spüre ich den Drang, die Sonnenbrille herunterzuziehen und über den Rand hinweg jemandem zuzuzwinkern, eine Bewegung, die in meinem Kopf - warum auch immer - untrennbar mit den Achtzigern verbunden ist. Oder ich möchte schnell Auto fahren und dabei mit der Hand im Fahrtwind surfen. Und weiß Gott: Vielleicht würde ich sogar ein Sakko an einem Finger über meine Schulter baumeln lassen. Den anderen Leuten scheint es ähnlich zu gehen, denn schon kurz hinter den Hüpfmädchen rauscht ein Mann auf einem rostigen Klapprad die Straße runter. Er ist ungefähr vierzig, trägt eine abgeschnittene Jeans, und quer über seine Halbglatze spannen sich extrem uncoole Plastik-Kopfhörer, die aussehen, als hätte er sie vor zehn Jahren bei Lidl gekauft. All das scheint ihm komischerweise nichts auszumachen. Er tritt wie ein Wahnsinniger in die Pedale, reckt seinen spillerigen rechten Arm in die Luft und johlt so schräg, wie das nur Leute tun können, die vergessen haben, dass sie Kopfhörer tragen: »Itz mei leeiiiif, änd itz nau ohr neeewah«, mit einem besonders lang gezogenen »neeeehwa«, Mit sechzehn hätten wir über den Typen mindestens eine halbe Stunde gelästert, heute bewundere ich ihn - ehrlich. Der Mann hat es geschafft, er ist eins mit dem Universum geworden. Ich beschließe, das zu meinem Ziel für heute Abend zu machen.

BONUSLEVEL
    Jemand muss gestorben sein. Oder es brennt. Oder Nick kommt zurück. Steht mein Wagen im Halteverbot? Habe ich eine Frau so mies behandelt, dass sie um drei Uhr

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