Extraleben - Trilogie
Betriebssystem frisst nur 128 Kilobyte!«, platzt Nick raus. Wirklich ein unfassbarer Wert; selbst ein mittelkurzer Geschäftsbrief verbraucht heute mehr Speicherplatz.
»Hach, herrliche Zeiten müssen das damals gewesen sein«, schwärme ich mit. Wir gönnen uns eine stille Minute der OStalgie und denken zurück an die frühen Achtziger, als es eben nicht eins, zwei oder drei hieß - und plop auch stopp bedeutete. Man musste nicht zwischen Apfel, Fenster oder Pinguin wählen. Fast jeder Computerhersteller packte in seine Rechner damals ein eigenes Betriebssystem, und keines davon war mit irgendwas kompatibel. Ach was, das Wort war noch nicht mal erfunden: Kompatibilität - pfui! Jede Maschine war eine Insel, schön von allen anderen abgeschottet durch private Dateiformate und obskure Betriebssysteme, die das Gespräch mit anderen Betriebssystemen strikt ablehnten. Eigentlich wie wir. Jedenfalls gab es Merlin, Pick, Oasis-16, ZDOS, MTOS, AMOS, VersaDOS und noch mindestens dreißig andere. Und GridOS, das unser dritter Mann hier spricht. Wenn es darum geht, dass früher alles besser war, lässt sich Nick natürlich nicht lange bitten.
»Damals war alles noch so schön ...ja ...unprofessionell!«
»Beispiel?«
»Beispiel ...«, er kneift sich in die Stirn, »also, als der Atari ausgeliefert wurde, lag doch eine Startdiskette dabei.«
»Okay.«
Wenn er es sagt.
»Jedenfalls war da nicht nur das Betriebssystem drauf, sondern aller möglicher anderer Kram, zum Beispiel irgendwelche Programmierwerkzeuge, die die Entwickler benutzt haben. Was war passiert? Niemand hat sich die Diskette genau angeschaut, bevor sie ins Kopierwerk geschickt wurde. Da hätten theoretisch die digitalisierten Wichsvorlagen der Programmierer drauf sein können, und die wären dann zehntausendfach an die Kunden rausgegangen.«
»So was gäb's heute echt nicht mehr.«
»Allerdings! Heute hätten sich vorher fünfunddreißig Projektmanager, Six-Sigma-Experten und Kontrolleurs-Kontrolleure die Diskette angeguckt.«
Also kleine fleißige Konzernroboter wie du, mein Freund. Aber vielleicht ist das nicht der richtige Einwand, um den Vormittag entspannt fortzusetzen.
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Kurz vor zwölf. Die Sonne brüllt senkrecht auf den Baumarkt-Parkplatz runter. Vor der Bratwurstbude neben dem Eingang treten ein paar Männer von einem Bein aufs andere, von der Sorte, die man wohl »gestanden« nennt. Ihre Hände sind schmutzig, und ihre Nacken leuchten krebsrot vom Beete jäten, Terrassenfliesen verlegen oder Gartenhäuschen anstreichen. Was auch immer sie getan haben, Nick müsste es jetzt eigentlich auch tun. Und deshalb freut er sich umso mehr, in einem klimatisierten Raum sitzen zu dürfen, vor einem Rechner, an dem er sich in Ruhe die Zähne ausbeißen kann. Obwohl wir schon ein paar Stunden dabei sind, springt er weiter hoch konzentriert durch die Programme, als hätten wir den Grid gerade erst aufgeklappt. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist längst abgelaufen, der letzte Kaffee liegt brutal lange vier Stunden zurück, und bis jetzt haben wir keine einzige Spur des Vorbesitzers im Speicher entdeckt. Jemand hat in der Kiste gründlich aufgeräumt, fast so gründlich wie ein Magnesium-Feuer.
»Ist es nicht langsam genug?«, erkundige ich mich.
»Warum? Ist doch unser Job«, giftet Nick zurück. Er kann es nicht ab, wenn sich ihm eine Maschine widersetzt, da wird er richtig piefig, der deutsche Ingenieur. Eigentlich ist er genauso ein Typ wie Hardy Krüger im »Flug des Phoenix«.
Da, wo sie mit dem Flugzeug in der Wüste abstürzen und der blonde Deutsche aus den Trümmern einfach eine neue Maschine baut. Genauso ist Nick drauf, und wehe, sein toller Masterplan geht nicht auf - dann sinkt die Stimmung. Oder vielleicht ist er auch nur unterzuckert?
»Soll ich was zu essen holen?«
»Hm.«
»Was?«
»Egal.«
Auf dem Weg nach draußen lächelt die Rezeptionistin sonnig rüber. Bestimmt muss sie das, weil es in irgendeinem Service-Leitfaden steht - oder sie ist wirklich auf der Suche nach jemandem mit Erfahrung. Das ist der Selbstbetrugs-Joker schlechthin, wenn man die Dreißig passiert hat: Sie will einen Mann mit Erfahrung. Ja, klar. Vor der Tür kocht der Dienstwagen in einer Parkbucht vor sich hin. Alles unverändert, keine Kratzer an den Schlössern oder so. Ich beuge mich runter und versuche, den Unterboden zu erkennen. Jetzt fange ich auch schon an. Wie viel Strom wohl unsere kleine Satelliten-Tarnkappe frisst? Nachher macht die Batterie
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