Extraleben - Trilogie
der Sekretärinnen, nichts für Chefs. Selbst tippen - unvorstellbar! Also machte sich Grid an einen neuen Kunden ran.«
»Die Regierung?«
»Exakt. CIA, NSA, Army und alle, die volle Kassen hatten und sich für einen robusten Rechner interessierten, der nichts abstrahlt und - angeblich - in einer Stichflamme aufgeht, sobald man ihn ins Feuer wirft. Für den Fall, dass mal schnell Beweise vernichtet werden müssen.«
»Deshalb das Magnesium?«
Der Einwand provoziert natürlich Verschwörungstheoretiker-Floskel Nummer Zweiundvierzig, die Nick wie immer todernst serviert: »Das Gegenteil konnte bis heute nicht bewiesen werden ...«
Mit drei gedachten, bedeutungsschwangeren Punkten dahinter. Dann spult er den Rest des Lexikoneintrags runter.
»Angeblich betrieb die CIA sogar ein Büro direkt gegenüber von der Grid-Zentrale in Mountain View; man wollte den Hoflieferanten im Blick behalten. Das ist allerdings echt nur Spekulation. Sicher ist: Jeder, der in den Achtzigern was auf sich hielt, hatte einen Compass 1101im Gepäck, von Steve Jobs bis zu Francis Ford Coppola. Sozusagen der Porsche 959 unter den Rechnern. Sogar in der AirForce One ist angeblich einer mitgeflogen.«
Wow, auf unserem billigen Hotelbett steht also der Laptop des amerikanischen Präsidenten, oder zumindest das gleiche Modell. Wenn uns die Klapperschlange Snake Plissken da mal nicht auf die Schliche kommt. Nick inspiziert die Gehäuserückseite.
»Schade, dass wir ihn jetzt nicht anmachen können.«
»War kein Kabel dabei«, entschuldige ich mich, obwohl es ja eigentlich nicht meine Schuld ist. Die Buchse sieht aus, als käme ein ganz normales dreipoliges Stromkabel rein. Müsste kein Problem sein, eins zu bekommen - vorausgesetzt, die Kiste verträgt nicht nur amerikanische 110 Volt, und selbst dafür hätte der Elektronikmarkt um die Ecke sicher eine schnelle Lösung auf Lager. Nick stellt den Grid wieder auf die Anrichte neben dem Fernseher und geht ins Bad. Ich nehme die Fernbedienung vom Nachttisch.
»Fernsehen?«, rufe ich rüber.
»Ock«, brüllt Nick über das Rauschen des Wasserhahns hinweg. Er behauptet immer, nicht ohne Fernsehen einschlafen zu können, also tue ich ihm den Gefallen und schalte die Glotze ein. Alle Gesichter dehnen sich wie Pfannkuchen über den Schirm. Die Elektronik des Fernsehers hat das gesendete 4:3-Bild auf 16:9 ausgewalzt, in diesem Modus laufen 98 Prozent aller Geräte in Flughäfen, Hotels und Bars. Tja, das Leben hat halt meistens kein Hollywood-Format, da helfen auch keine digitalen Tricks. Wenn es echt Außerirdische gibt, die - wie bei »Contact« - unsere Fernsehprogramme gucken, denken sie bestimmt, alle Wesen auf diesem seltsamen Planeten Erde sind 1,40 groß und wiegen 100 Kilo. Noch vor der ersten 0190-Werbung sind wir eingeschlafen.
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Kurz nach acht. Wow, wir sind mal wieder früh unterwegs. Zu der Uhrzeit waren wir früher nur in der Lage, flach zu atmen. Sogar das Gewerbegebiet schläft noch, das sollte uns eigentlich zu denken geben. Ohne links und rechts gucken zu müssen, können wir die leere vierspurige Straße vor unserem Hotel überqueren. Auf der anderen Seite schwenken wir auf den Fußgängerweg ein und trotten Richtung Elektronikmarkt, immer im Slalom um die Pfeilschilder herum. Hier sind Sie richtig! Hier parken! Weitere 150 Plätze im Obergeschoss! Viel Gewerbe scheint das Gebiet bisher nicht angezogen zu haben. Auf dem Parkplatz des SB-Markts betteln endlose Reihen von weißen Stellplatz-Markierungen um Kunden; neben dem Einkaufswagen-Kabuff bricht der Löwenzahn durch den Asphalt. Die Fahnen vor dem Haupteingang des Marktes hängen schlapp in der windstillen Luft. Ihre Aufschrift ist nur zu erkennen, weil ein schlauer Marketingmensch oben Stangen reingesteckt hat. Sensationelle Jubiläums-Angebote! Am letzten Mast lehnt unten ein Plakat, das für einen Event namens Weihnachten mit Howard Carpendale wirbt. Das Licht des Frühlings hat schon alle Farben aus Howies goldenem Haar gebrannt. Sättigung minus zwanzig Prozent, mindestens. Noch ist die Luft kalt, aber sie schmeckt schon nach Sommertag. In ein paar Stunden wird es so heiß sein, dass das schwarze Zeug von den Gullirändern an der Schuhsohle kleben bleibt. Von der Tanke zieht eine Wolke aus Diesel und Staub rüber. Diesel and Dust - gab es nicht mal eine Platte, die so hieß? Die Schatten der Zapfsäulen machen sich so lang, dass sie fast bis zu den roten Säcken mit Grillkohle neben dem Eingang reichen. Blick
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