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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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gründete Day kurzerhand Twin Galaxies, eine Art Guinness-Buch für die jungen Gamer. Nachdem alle großen Fernsehsender davon berichtet hatten, wurde sein Scoreboard, anfangs tatsächlich eine sechs Meter breite Kreidetafel, zu einem Riesenerfolg: Zu jeder Tages-und Nachtzeit riefen Spieler bei Day an, um sich zu erkundigen, wo sie mit ihrem Highscore stünden. Das Verzeichnis liest sich noch heute wie ein Testament des Wahnsinns: »Galaxian, perfektes Spiel, 1114550 Punkte, Gary Whelan, verifiziert per Schiedsrichter. «
    Bis weit in die Neunziger reichte übrigens ein Foto vom Bildschirm, um seinen Rekord zu beweisen; heute müssen professionelle Zocker Videobänder zu Twin Galaxies einschicken und bei Turnieren sogar Bluttests ablegen, um zu beweisen, dass sie nicht den Wachmacher Modafinil eingeworfen haben, um die langen Stunden am Joystick durchzuhalten. Rekordwart Day zog die Sache auf die typisch amerikanische Profi-Art auf: Er veranstaltete die erste Weltmeisterschaft im Videospielen, lud die Bosse der Spieleindustrie ins verschlafene Iowa ein und brachte den Gouverneur des Staates sogar dazu, den Landkreis zur »Videospiel-Hauptstadt der Welt« zu ernennen - nicht schlecht für eine Gemeinde, die ansonsten nur damit wuchern kann, Geburtsort von Roseanne Barr zu sein. Es folgte die erste Parade von Videospielhelden durch die Innenstadt, samt einem als Pac-Man verkleideten Kind, und der erste Gedenktag zu Ehren eines Joystickhelden namens Tim McVey, der bei Nibbler als erster Mensch auf diesem Planeten die Milliarden-Punkte-Marke geknackt hatte. Mitte der Achtziger flaute zusammen mit dem Videospielhype auch das Interesse am neuen Menschen von Iowa ab. Es gab keine Weltmeisterschaften mehr, keine Paraden, und irgendwann musste Walter Day auch seine Spielhalle schließen. Seitdem protokolliert Twin Galaxies im stillen Kämmerlein weiter Rekorde, obwohl es für Videospiel-Hauptstädte im Netz-Zeitalter eigentlich keinen Platz mehr gibt. Dazu passt Days aktuelles Domizil. Die Hausnummer 2000 auf der 155.Straße liegt weit außerhalb der Stadt, mitten zwischen Kornfeldern, sogar noch hinter dem Regionalflughafen. Der Weg zu seinem Haus ist nicht einmal geteert. Vorsichtig steuert Nick unsere Limousine auf den Feldweg, der vom Highway abbiegt. Er ist heute mit Fahren dran, und das bedeutet für alle Autos hinter uns: Obacht, Oma am Steuer. Trotz seiner jungen Jahre fährt Nick nämlich so langsam, dass es schon fast peinlich ist. Wenn man ihn darauf anspricht, bringt er immer einen altklugen Text wie „Wir haben es doch nicht eilig«, was den Eindruck natürlich noch verstärkt, mit der eigenen Großmutter unterwegs zu sein. Wie eine Spieluhr klimpern kleine Steinchen in den Radkästen. Nach einigen hundert Metern stehen wir vor dem Briefkasten mit der Nummer 2000. Nick bremst den Wagen ganz sachte ab und setzt zurück. Für einige Sekunden hüllt uns unsere eigene Staubwolke ein, dann weht der Wind die Sicht wieder frei. Wir stehen an einer Kreuzung im Nirgendwo. Von der Hauptstraße biegt ein langer Feldweg auf Days Grundstück ab; es besteht aus einer riesigen Rasenfläche. die, so braun, wie die Halme aussehen, mal wieder bewässert werden könnte. Auf einer Anhöhe in der Ferne ist ein zweistöckiges Haus zu erkennen. Es wirkt überraschend neu, genau wie der Briefkasten, vor dem wir angehalten haben: keine dieser verbeulten Blechdosen. auf die etliche Generation von Teenagern schon mit ihren Baseballschlägern eingedroschen haben, sondern eine saubere Box aus dunkelgrünem Plastik. Wir hatten die verfallene Hütte eines Videospiel-Eremiten erwartet, doch das hier sieht eher nach Golfklub-Wohlstand aus. Nick schaltet den Motor ab und innerhalb von Sekunden erobert sich die Hitze das Cockpit zurück. Bis auf das leise Brummen des Highways in der Ferne ist es totenstill.
    »Aussteigen?«, schlage ich vor.
    »Weiß nicht«, murmelt Nick. Unser Problem ist, dass wir beide totale Angsthasen sind. In uns beiden steckt tief die deutsche Furcht vor Hausfriedensbruch, Strafmandaten oder - nicht auszudenken - Schusswaffen. Aber natürlich will das keiner zugeben. Also ziehen wir uns vorsichtig gegenseitig hoch.
    »Ist doch kein Tor da«, meint Nick »Stimmt. Also warum nicht?«, sekundiere ich. Wir rutschen weiter auf unseren Autositzen herum, werfen noch einen Zimtkaugummi ein. Irgendwann wird es Nick zu heiß, und er steigt wirklich aus. Dann muss ich wohl auch. Auf den Satellitenbildern des Grundstücks, die wir

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