Extraleben - Trilogie
Sperrgebiets gemacht. Beim Kaffeeholen an der Tanke liefen uns die Wachmänner dann quasi in die Arme. Sie tankten gerade ihren ordentlich markierten Jeep Cherokee auf, trugen Namen an der Uniform und kamen relativ umgänglich rüber. Dagegen wirkten die Typen von eben wie Kampfroboter von einem anderen Stern. Modell T-1000, flüssiges Metall. Nick setzt seinen Illuminatenblick auf.
»Lass uns mal folgende Theorie aufstellen ...«
Ich muss schon an dieser Stelle innerlich lachen, denn was jetzt kommt, wird sicher wieder gleichermaßen fundiert wie haarsträubend sein. Trotzdem reiße ich mich zusammen und setzte einen gespielt-interessierten Blick auf, den Nick geflissentlich ignoriert.
»Also, wir schreiben das Jahr 1982.«
Gute Exposition.
»Datacorp Inc. sucht Computerspezialisten. Doch die erwachenden Giganten wie Apple und Micro-Soft - damals übrigens noch mit Bindestrich geschrieben - saugen alle Absolventen von den Unis ab. Gleichzeitig kommt es nicht infrage, irgendwelche alten Hasen aus der Mainframe-Ära zu rekrutieren, weil die einfach zu festgefahren sind, um noch was Neues aufzubauen. Was tut die Datacorp? Ganz einfach: Sie schleust in bestimmte Kopien von Computerspielen kleine Hinweise auf sich selbst ein. Diese Schnitzeljagd lockt Hacker an, die prompt nach Fairfield fahren - und hier eingestellt werden ...«, extra dunkler Blick, »... oder für immer verschwinden.«
Ich gehe über den dramatischen Nachsatz einfach hinweg.
»Also das Garne als Stellenanzeige und Einstellungstest in einem, wie bei The Last Starfighter «
»Genau!«, freut sich Nick, sichtlich begeistert darüber, dass ich a) seine Theorie verstanden habe und ihr b) mit einem Retroverweis quasi den Gültigkeitsstempel aufdrücke. Früher oder später hätte er die Parallele natürlich auch gezogen, dafür ist der B-Science-Fiction-Film aus den frühen Achtzigerjahren einfach zu ähnlich. Der Plot geht so: Außerirdische, die wie Eidechsen aussehen, kämpfen in einer weit, weit entfernten Galaxis einen Befreiungskrieg gegen irgendwelche Bösen. Da ihnen langsam die Piloten für ihre Raumschiffe ausgehen, kommen sie auf die Idee, auf der Erde Nachwuchs anzuwerben. Sie programmieren ein Areadespiel so um, dass es die Steuerung ihrer Raumschiffe, der Starfighter, perfekt imitiert, und verbreiten das Garne - wie auch immer - in irdischen Spielhallen. Der Rest ist pures Klischee: Armer Underdog aus dem Wohnwagenpark knackt den Highscore, wird per Raumschiff nachts abgeholt, gewinnt dank seiner Joystickkünste die Raumschlacht, kriegt das Mädchen und so weiter und so fort. Ein Superfilm. Schließlich gibt er jedem Gamer das Gefühl, bei einem Zockmarathon eben doch nicht wertvolle Lebenszeit verschwendet zu haben, sondern zumindest mit einer 0,000001-prozentigen Chance dem Ziel näher gekommen zu sein, ein intergalaktischer Held zu werden. Die Macher des Films ließen sich damals anscheinend von Gerüchten inspirieren, denen zufolge die CIA durch die Spielhallen des Landes reiste, um die Halter der Highscores als Supersoldaten der Zukunft zu rekrutieren. Bis heute umgibt den Film übrigens ein kleines Geheimnis, das eingeweihte Kreise von Supernerds wie uns immer noch beschäftigt: Im Film ist mehrfach das fiktive Arcadespiel deutlich zu sehen, mit dem die Aliens den humanoiden Nachwuchs rekrutieren, zum Beispiel, wenn man den Helden beim Zocken sieht. Kurz flimmert sogar einmal der Herstellername »Atari« über den Schirm. Und tatsächlich soll die legendäre Spielefirma das passende Game zum Film bei dessen Start fertig gehabt haben - doch in den Arcaden kam das nie an. Seltsam. Vielleicht hat da doch noch die CIA interveniert.
»Rekrutierung per Videospiel«, murmelt Nick und denkt laut weiter, »das heißt, wenn wir noch eine geheime Message wie in Raid over Moscow entdecken wollen, müssen wir so viele Spiele unter die Lupe nehmen wie möglich, und zwar in der Version, die es im Laden zu kaufen gab, auf der Originalfloppy, -kassette oder -cartridge. Wow, das wird schwierig.«
In der Tat, denn normalerweise funktioniert Retrogaming so: Irgendein Bastler macht sich die Mühe, die alten Platinen, Cartridges, Disketten oder Bänder auszulesen, und stellt die Daten ins Netz. Dieser Satz von immer gleichen Bits und Bytes wird dann wieder und wieder kopiert und zirkuliert im digitalen Nirwana, bis es irgendwann mal niemanden mehr gibt, der den Oldie mit einem Emulator zum Leben erwecken will oder kann. Soweit, so gut. Doch was ist,
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