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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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aufzuführen. Armer Beifahrer. Und worüber soll man noch reden? Nerd-Themen? Die braucht man bei ihr überhaupt nicht anzuschneiden, wie bei allen Frauen eben. Können Frauen überhaupt Nerds sein? Eher nicht, denn Nerd-Sein ist eine Art von Extremismus. Du musst deine ganze Existenz einer einzigen Sache widmen, und du kannst erst ruhen, wenn du über diese Sache wirklich alles weißt, bis ins kleinste Detail. Dein Wissen muss so umfassend sein, dass es einem Außenstehenden völlig hirnrissig vorkommt. Du musst eins werden mit deinem Projekt, selbst wenn das bedeutet, fünf Wochen lang jede Nacht daran zu arbeiten, einen BBS-Server auf dem Commodore 64 laufen zu lassen. So brutal würden Frauen niemals ihre Lebenszeit verschwenden. Die würden sich nach zwei Stunden abseilen, um mit ihren Freundinnen im so genannten realen Leben einen Kaffee zu trinken. Kalt ist es hier drinnen, dabei fühlt sich der Luftzug aus Johns Fenster ziemlich warm an; das wird heute ein astreiner Hochsommertag, da werden die Kids mit ihren Jet-Skis richtig Spaß haben. Natürlich, die Gänsehaut am Arm kommt davon, dass wir ewig nicht gepennt haben. Wir nähern uns langsam dem kritischen Limit, und jeder Schlaflose weiß, was als Nächstes kommt. In ein paar Stunden werden wir anfangen, durchzudrehen: Wir werden uns wegen Kleinigkeiten an die Gurgel gehen, nur noch Scheiß reden, weil das Sprachzentrum allmählich runterfährt. Dann kommen die Sehstörungen, irgendwann die Halluzinationen und schließlich bricht das Immunsystem zusammen. Wäre es okay, ein bisschen mit dem Game Boy rumzuspielen? Nick hat ihn samt Kameramodul automatisch eingesteckt, als John uns vorhin aus dem Zimmer gescheucht hat. Jetzt hüpft das graue Kästchen, Jahrgang 1989, auf den Sitzpolstern rum und verstärkt bei unserem Ex-Chef vermutlich den Eindruck, es mit totalen Versagern zu tun zu haben. Nein, es wäre natürlich nicht okay, jetzt zu zocken - während Nick sich den Arsch aufreißt, um uns hier rauszuhauen. Das würde die Kumpelsolidarität untergraben. Er hat ja auch nie geschlafen, während ich gefahren bin, bis auf das eine Mal, als er krank war. Nein, mir bleibt nichts übrig, als weiter aus dem Fenster zu starren und zu warten. Das nächste Kaff kündigt sich mit einem haushohen Schild an, auf dem steht, dass man sich als »Apfelhauptstadt der Welt« verstehe. Liebenswerte amerikanische Provinzhybris. Obwohl: So richtig rausgekommen sind wir ja auch nicht aus unserem Alten Land. Gerade mal bis in die nächste Unistadt haben wir es geschafft, und selbst diese Aktion endete mit einem epischen Scheitern, wie man in den Nullern gesagt hätte. Studium versägt, ewiger Prakti geworden. Dass mein halbherziger Flirt mit den Wirtschaftswissenschaften schnell vorbei sein würde, hätte so ziemlich jeder vorhersehen können. Bis heute kapiere ich nicht, warum ich das überhaupt angefangen habe. Ich schiebe es auf die Achtziger: Vermutlich bin ich einer diffusen Gordon-Gecko-ich-werde-stinkreich -Vision hinterhergerannt. Weniger selbstverständlich war, dass Nick sein Informatikding nicht durchhalten würde. Ein Fünkchen Wille hätte bei ihm völlig ausgereicht, um das Studium mit Anstand zu Ende zu bringen. Aber etwas in ihm drin sträubte sich dagegen: Vielleicht war es die Angst davor, endgültig mit der geliebten Jugend abschließen zu müssen - oder er wollte nur seinem Alten eins auswischen. Jedenfalls war es eine hirnrissige Verschwendung. Seine Augen zucken über die Zahlenkolonnen. Dass ihm noch ein halbes Toast an der Unterlippe hängt, scheint er nicht bemerkt zu haben. Schon witzig, dass ausgerechnet wir den Schrott aus dem Kalten Krieg im Orbit wegräumen sollen - schließlich wollte uns die Bundesprüfstelle damals ja nicht mal Raid over Moscow zocken lassen, weil die Herrschaften das für ethisch-moralisch unzumutbar hielten. Komm schon, nachdenken. Wie kommen wir hier raus? Nick. Sabina. Mein Telefon. Die Ausdrucke. Was passiert mit uns, wenn John sein Geld hat? Es fängt an, der Schlafentzug kickt rein. Das Hirn jongliert nur noch mit den immer gleichen Gedanken, anstatt neue zu produzieren. Noch drei Stunden bis zum Treffen mit den Satellitentypen.

#48 T-1: 20:26
    So, Alter, die Geschichte hier ist gegessen, jetzt hör schon auf, Löcher ins Papier zu starren. Ich nehme jetzt mein Telefon und rufe die guten Jungs von Datacorp an oder die Bullen oder, wenn es sein muss, auch BigSis. Wir müssen hier raus, bevor Major Tom seine Kohle gekriegt

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