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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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hätten in den goldenen Netzjahren unsere eigene Software-Bude aufmachen müssen, mit irgendeiner völlig trivialen Sache - vielleicht was mit WAP, das ging ja damals immer. Wir hätten ein paar Inder eingeflogen, ein paar Präsen hingerotzt und die ganz dicke Kohle eingestrichen, weil die Herren mit dem Geld - genau wie mein Dad - immer noch so aussahen, als hätten sie eine Begegnung der Dritten Art, sobald jemand einen Rechner souverän bedienen konnte. Dann säßen wir heute in Eppendorf, Schwabing oder Hahnwald, eine Trophäen-MILF mit Plastiktitten würde sich an uns rankuscheln, und unsere lieben Kinderlein würden unser Geld auf einer teuren Privatschule weit, weit weg verbrennen. Das hätten wir garantiert hingekriegt. Leider haben wir die Netzrevolution und das mit dem Geld machen total verpennt, weil wir so damit beschäftigt waren, Metal Gear Solid zu zocken.

#47 T-1: 23:26
    Glaubt Nick wirklich, dass John uns nach der Aktion einfach so abmarschieren lässt? Nachdem wir ihm dabei geholfen haben, eine der geheimsten Geheimorganisation der westlichen Welt über den Tisch zu ziehen? Schließlich wussten selbst die Amerikaner bis Anfang der Neunziger nicht, dass es das National Reconnaissance Office überhaupt gibt. Die Satellitenmänner konnten im letzten halben Jahrhundert in die Umlaufbahn schießen, was sie wollten. Und nachdem John diese Jungs aus der schwarzen Zone abgezockt hat, wird er uns, die einzigen Zeugen, sicher nicht zum Feierabend nach Hause schicken. Er hat Stil-aber er ist kein Idiot. Verdammt schlau: Wir können nicht raus finden, ob er nur blufft. Hockt in diesem Moment wirklich einer seiner Leute im Wagen vor Sabinas Elternhaus? Unmöglich zu sagen. Und selbst wenn diese Drohkulisse zusammenklappen sollte, hat er immer noch die Pistole im Handschuhfach, um die Nerds in Schach zu halten. Vielleicht sollte ich Nick wirklich langsam von meiner Entdeckung erzählen. Der Sonnenaufgang kam schnell. In der Zeit, die der Himmel gebraucht hat, um sich von orange über pink bis zu hellblau umzufärben, sind wir gerade mal an drei Ausfahrten vorbeigerauscht. Vorhin, als es noch dunkel war, müssen wir die Staatsgrenze passiert haben, denn die Berge von Montana sind endgültig verschwunden. Jetzt schaukelt der Van durch die endlosen Äcker von Washington, geradewegs auf den Pazifik zu. Weil die Dreitausender direkt hinter der Küste den Regen vom Meer abfangen, ist das Wetter hier meistens gut. Eine Apfelplantage jagt die nächste, und neben den Straßenkreuzungen stehen kleine Obststände, an denen die zehnjährigen Töchter der Farmer erste Erfahrungen mit dem Kapitalismus sammeln dürfen.
    »Farm Fresh Cherries 5 $« steht mit krakeliger Schrift auf den improvisierten Schildern. Ich bilde mir ein, dass der Duft der frischen Kirschen durch den kleinen Spalt vorne in Johns Fenster reinzieht, aber das ist natürlich nur Einbildung, reiner Übersprung. Die ganze Landschaft wirkt so frisch, dass man denkt, an jedem Blatt müsste ein Tautropfen runterperlen - wie an einem Bierglas in der Werbung. Frieden und Ruhe liegen über den Feldern, fast wie früher bei uns im »Alten Land«.
    An so einem Tag wären wir direkt nach der Schule in die Plantagen gerannt - also in der analogen Zeit, als Nick noch nicht in unser Nest gezogen war. Wir Jungs hätten uns in einen der schmalen Streifen zwischen den Erdbeerpflanzen gelegt, der mit Stroh bestreut ist, hätten in den Himmel geguckt und darüber geredet, wie stark es wäre, hier auf der Erde mit einem Adler von der Mondbasis Alpha Eins rumfliegen zu können. Was ist das? Vorne tut sich was. Johns Telefon fiept. Shit, wenn er sein blödes Fenster hochmachen würde, könnte man vielleicht was verstehen. So schluckt das Rauschen des Fahrtwinds alles bis auf ein paar seiner Wortfetzen.
    »... they probably think we're already heading for Schriever.«
    John lacht heiser. Autsch, unsere Blicke haben sich im Rückspiegel getroffen. Seine Iriden, schwarz wie reife Oliven, schwimmen mittlerweile in einem Meer aus roten Adern. Sofort schraubt John die Lautstärke runter, damit ich nichts mehr verstehen kann. Ein paar weitere Sätze Gemurmel, denn hebt unser Ex-Chef die Stimme, um das Gespräch zu beenden.
    »... and keep an eye on those transfers, okay.«
    Alles klar, das Jerry-Cotton-Zentrum im Kopf übersetzt die Informationen: Major Tom wartet nur noch auf den »transfer«, die Überweisung vom NRO, danach will er die Satelliten-Software an ihren rechtmäßigen

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