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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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deutsche Autobahn an und für sich. Dass das überhaupt ein Thema sein kann, fällt einem erst im Ausland auf, denn die ganze Welt liebt ja die Autobahn. Wo immer man auch landet, es ist überall das gleiche Spiel: Sobald rauskommt. dass man Deutscher ist, biegt das Gespräch unweigerlich auf die German Autobahn ein. Wie super das sein muss, so schnell fahren zu können, wie man will, mit dem Porsche, Mercedes oder BMW, zwischen all den Burgen und Schlössern und so weiter. Um die Dinge so romantisch verklären zu können, muss man wohl mindestens 2000 Kilometer vom Frankfurter Westkreuz entfernt wohnen. »Das einzige halbwegs Romantische an der Autobahn ist der Rasthof Fernthal an der A3, und auch nur wegen des Namens. Der klingt nach Ferne, zumindest, wenn man sich das >h< wegdenkt«, sagt Nick. Ansonsten sei die Autobahn ja wohl der Inbegriff von deutscher Enge. Die gesamte Spießigkeit des Landes auf vier Spuren Asphalt konzentriert, kontrolliert von den sagenumwobenen 924-Porsches der Autobahnpolizei. in Schuss gehalten von der Autobahnmeisterei - übrigens eines der cooleren deutschen Worte. Ein unvermeidbares Übel auf dem Weg von A nach B. Da hat er nicht ganz unrecht, und wenn es irgendwo übel ist, dann hier, auf der A4 Richtung Holland. Nick hatte die glorreiche Idee, von Amsterdam aus zu fliegen, damit das Flugticket in die USA günstiger wird - an sich ein grober Verstoß gegen unsere Kein-Gespare-Regel. Deshalb beginnt unsere Reise ziemlich unentspannt damit, dass wir mit Tempo 80 im Kielwasser holländischer Lastwagen mitten durch die Hölle schwimmen. Seit dem fünften Semester sind wir fast jedes Jahr in die Staaten geflogen, oft mit zwei, drei Zwischenstopps, aber so würdelos hat noch kein Trip angefangen. Der Niederrhein ist im Prinzip ein grauer Tunnel. Ein grauer, langer Tunnel aus Regen, Doppelhaushälften und Schallschutzwänden, den wir möglichst schnell hinter uns lassen wollen. Ich versuche, nicht zu Nick rüberzusehen, weil ich weiß, wie hypernervös er hinter dem Lenkrad kauert, und dass er noch hektischer wird, wenn ich ihn anspreche. Warum er immer darauf besteht zu fahren? Vor dem Fenster rauschen gesichtslose Lagerhallen vorbei, die aussehen wie gigantische, vom Himmel gefallene Bauklötze. Ich kann die Worte des lokalen Wirtschaftsförderers förmlich hören: »Mitten im Herzen von Europa!« An der Pforte zum Betriebsgelände steht sicher ein Mittfünfziger mit einem Schnäuzer, der einen dieser blauen Pullover mit aufgesetzten Schulterklappen trägt. Ein guter Deutscher eben. Zipp, aus braungrau wird hellgrau, eine Schallschutzwand rast vorbei, dann eine mit kleinen Buchen bestandene Böschung, die aussieht, als könne hier am helllichten Tag Schlimmes geschehen. Wir halten zum Tanken kurz an der Raste. Auf der Toilette steht ein Automat mit Kondomen der Marke Ramses Feuchtfilm . Unfassbar, dass es die noch gibt. Wenn ich mal Fernfahrer werde und meine nächste Tour über die Europastraße 55 nach Prag führt, würde ich mich genau hier eindecken. Ramses, das ist die Marke des modernen Gentleman. Wir biegen wieder auf die Autobahn ein, und Nick hibbelt weiter vor sich hin. Gut sechs Monate sind vergangen, seit wir in Raid over Moscow die geheime Botschaft entdeckt haben, ein weiteres halbes Jahr des perfekten Stillstands. Nachdem wir alles über Walter Day recherchiert hatten, ließen wir die Sache auf sich beruhen; das Thema war durch. Bis letzte Woche. Da hat sich Nick als Vorbereitung auf unseren neuesten Kreuzzug noch mal die mysteriöse Nachricht angeschaut und gecheckt, ob wir die Adresse auch richtig dechiffriert haben. Seitdem ist er wieder total high von der Aussicht darauf, eine große Verschwörung aufdecken zu können; er redet seit Tagen von nichts anderem mehr. »Dass dieser Walter Day nichts mehr zu tun hat, ist kein Wunder. Schließlich bedeutet ein Highscore heutzutage einen Scheiß. Ich meine: In welchem Spielgenre oder welcher Szene geht es noch um Punktestände?«, sagt er, während er den Wagen aufgeregt von der linken auf die rechte Spur zieht. Ich starte einen aussichtslosen Versuch, die sicher anrollende Früher-war-alles-besser-Tirade noch aufzuhalten: »Was ist mit Rollenspielen? Da genießen die Spieler doch ein gewisses Ansehen, wenn sie Level-89-Zauberer sind, oder?« Mit diesem schwachen Einwand hält sich ein echter Yesterday- Man natürlich nicht auf: »Sowas beweist nur, dass du a) dringend ein Privatleben brauchst oder b) einen armen Teenager im

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