Extraleben
Albuquerque, im Handgepäck genau so einen Lochstreifen mit ebendiesem Kürzel drauf. Auf der Papierrolle hatte Gates eine selbst geschriebene Version der Programmiersprache BASIC gespeichert. Dass er mit dieser Rolle den Grundstein zu einem Milliarden-Dollar- Imperium legen sollte, ahnt der Harvard-Student nicht. Er will das Programm einfach nur verkaufen, und zwar an eine Firma namens MITS. Die hat kurz zuvor den ersten Heimcomputer auf den Markt gebracht, der zu einem Preis von 621 Dollar erstmals auch für Schrauber erschwinglich ist. Für ihr Geld bekommen die Käufer einen blauen Kasten mit ein paar Schaltern und Lämpchen vorne dran, mehr nicht. Monitor und Tastatur hat der Rechner namens Altair 8800 noch nicht, genauso wenig wie Software. Zumindest das will der junge Gates ändern: Wer seinen Interpreter in den Rechner lädt, kann zumindest einfache Programme schreiben, die zum Beispiel die Lämpchen am Altair in Reihe aufblinken ließen. So sieht interaktive Heimunterhaltung Mitte der Siebziger aus. Gates und sein Kompagnon Paul Allen wissen, dass sie den Chefs von MITS mehr bieten müssen als blinkende Lichtchen. Deshalb gibt Allen während der Präsentation an Ort und Stelle den Code eines einfachen Flugsimulators ein. Das Spielchen beeindruckt die Altair-Herren so, dass sie sofort Gates' Programmiersprache einkaufen. Der schmeißt daraufhin sein Studium, die Papierrolle landet in einem Museum im kalifornischen Mountain View, der Rest ist Geschichte. Nachricht an uns selbst: dringend mal hinfahren! Mr. Spock scheint in Gedanken die gleiche Geschichte durchzuarbeiten, denn nach einigen Minuten Schweigen und einer halben Dose lauwarmem Dew präsentiert er seine Analyse: »Hypothese: Auf dem Streifen ist ein Spiel gespeichert, wahrscheinlich für den Altair 8800, Imsai 8080 oder einen anderen Rechner mit Intel-8080-Prozessor. Die Frage ist: Wo kriegen wir hier in der Pampa ein Lochstreifen-Lesegerät mit RS-232-Schnittstelle her?« Guter Punkt - wenn man mal von Nicks EDV-Namedropping absieht. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, die Daten per Auge abzulesen und die Bytes einfach aufzuschreiben - aber dafür ist der Streifen viel zu lang. Um die ganze Rolle auszulesen, würden wir Tage brauchen. Nein, wir müssen einen anderen Weg finden, diesem umgekehrten Konfetti Daten abzuringen. Mit einem Fauchen taucht der Lotsen-Pick-up hinter der Biegung auf. Der Mann mit dem besten Job auf der Welt dreht sein Schild von Stop auf Slow, ohne sich aus seinem Lesesessel zu erheben, und wir reihen uns artig als einziges Auto hinter dem Baustellenfahrzeug ein. In der letzten Viertelstunde ist niemand den Highway entlang gekommen. Erst als wir die Mitte der Baustelle erreicht haben - es sieht aus, als sei der halbe Berg weggesprengt worden -, erscheinen die dunklen Umrisse eines anderen Autos im Rückspiegel. Ich versuche zu erkennen, wie viele Leute drinsitzen, aber der andere Wagen scheint zu bremsen und fällt schnell zurück. Wahrscheinlich hat der Fahrer Angst davor, dass ihm der Rollsplitt um die Ohren fliegt und ein Loch in die Scheibe reißt, wenn er zu viel Gas gibt. War das nicht wieder ein Ford? Egal. Wir lehnen uns für den orangefarbenen Rest des Tages zurück, versichern uns noch einmal, wie cool die Aktion bei der Datacorp war, und spielen ein paar Ideen zu dem Lochstreifen durch. Und obwohl die Straße eng und kurvig ist, fliegen die Meilen schneller vorbei als auf so mancher Interstate. Zerknirscht müssen wir uns eingestehen, dass zumindest diese Elternweisheit stimmt: Wenn man sich unterhält, geht die Zeit wirklich schneller vorbei.
LEVEL 18
So vorsichtig, als ob er mit einem Reagenzglas voll Nitroglyzerin hantiert, klebt Nick die schwarze Pappe auf den Scannerdeckel. Dann positioniert er genauso penibel den Lochstreifen auf dem Glas. So müssten sich die Löcher später gut genug in der Grafik abzeichnen - vorausgesetzt, wir schaffen es, den Streifen bei jedem Scan immer gleich aufzulegen. Denn das ist unser Plan: Statt mühsam einen Lochkartenleser zu organisieren, jagen wir den Papierstreifen einfach durch einen Scanner und lesen die Daten so aus, wie ein Foto eben. Während er noch den ersten Streifen zurechtrückt, rechnet sich Nick schon mal fertig: »Ich habe mal nachgeschaut: Auf einen Zentimeter kommen ungefähr vier Reihen mit Löchern, also 4 Byte. Das macht 400 Byte pro Meter. Unser Scanner hat eine Auflagefläche von ein bisschen über 30 Zentimeter, und jeder Scan dauert mit
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