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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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dornenähnlichen Berge sich
über eine ähnliche Entfernung in die wolkenlose Luft
bohrten. Auch sie war von Licht gesprenkelt, das von kleinen
Städten, Dörfern, einzelnen Häusern, Laternen am
Strand und kleineren Fluggeräten stammte; die meisten der
letzteren waren gekommen, um das lenkbare Vakuum-Luftschiff zu
begrüßen.
    Die beiden sich langsam drehenden Gondeln kamen allmählich
zum Stillstand, eine Vorbereitungsmaßnahme fürs Andocken.
Die Leute in beiden Abteilen strömten an den der Insel
zugewandten Seiten zusammen, um den Anblick zu genießen. Das
Luftschiff-System verzeichnete eine Zunahme des Ungleichgewichts und
pumpte Karbonblasen voller Vakuum von einem der Tanks zu einem
anderen, um auf diese Weise einigermaßen auf Kiel zu
bleiben.
    Die Hauptstadt der Insel schwebte langsam näher; der
Andockturm strahlte in hellem Licht. Laserstrahlen,
Feuerwerkskörper und Suchlichter rangen allesamt um
Aufmerksamkeit.
    »Ich sollte jetzt wirklich gehen, Tish«, sagte die
Drohne Gruda Aplan. »Ich habe es zwar nicht ausdrücklich
versprochen, aber ich habe schon irgendwie angedeutet, daß ich
wahrscheinlich zu einem kurzen Besuch vorbeikommen
würde…«
    »Ach, das kannst du doch auch noch auf der Rückfahrt
machen«, sagte Tishlin und schwenkte sein Glas. »Laß
sie ruhig warten.«
    Er stand auf dem Balkon an der Außenseite einer der Bars in
der mittleren Ebene der unteren Gondel. Die Drohne – ein sehr
altes Ding, wie zwei graubraune, abgerundete
übereinandergestellte Würfel und dreiviertel so groß
wie ein Mensch – schwebte neben ihm. Sie hatten sich erst an
diesem Tag kennengelernt, vier Tage nach Beginn der Kreuzfahrt
über die schwimmende Insel der Orbitalstation, und sie kamen
blendend miteinander zurecht, ganz so, als ob sie schon seit einem
Jahrhundert oder länger Freunde wären. Die Drohne war um
etliches älter als der Mensch, aber sie stellten fest, daß
sie dieselben Ansichten, dieselbe Glaubensrichtung und denselben Sinn
für Humor hatten. Und sie erzählten beide gern Geschichten.
Tishlin hatte den Eindruck, daß er noch nicht einmal am Furnier
des Geschichtenfundus der alten Maschine gekratzt hatte, Geschichten
von ihrer Tätigkeit beim Kontakt – tausend Jahre vor seiner
Zeit dort, dabei galt er in dieser Hinsicht heutzutage schon,
weiß Gott, als alter Hase.
    Er mochte die alte Maschine; er hatte diese Kreuzfahrt eigentlich
unternommen, weil er ein romantisches Abenteuer erleben wollte, und
er hoffte immer noch darauf, aber der Umstand, daß er bis dahin
eine so angenehme Gesellschaft und eine so unterhaltsame
Erzählerin gefunden hatte, machte ihn bereits froh, daß er
die Reise angetreten hatte. Das Blöde war, daß die Drohne
eigentlich hier aussteigen und einige alte Drohnen-Kumpel besuchen
sollte, die auf der Insel lebten, bevor sie ihre Reise auf dem
nächsten Luftschiff, das in einigen Tagen erwartet wurde,
fortsetzen würde. In einem Monat würde sie auf dem ASF
abreisen, das sie hergebracht hatte.
    »Aber wenn ich sie nicht besuche, habe ich das Gefühl,
daß ich sie im Stich lasse.«
    »Ach was, bleib wenigstens noch einen Tag«, schlug der
Mann vor. »Du hast mir diese eine Geschichte noch gar nicht zu
Ende erzählt – worüber? – über
Bhughredi.«
    »Ja, Bhughredi.« Die alte Drohne schmunzelte.
    »Genau. Bhughredi; die Meeresbomben und der atomare
Störeffekt oder was immer das war.«
    »Eine verdammte Art und Weise, ein Schiff auf den Weg zu
schicken«, pflichtete die Drohne seufzend bei.
    »Also, was ist da passiert?«
    »Wie gesagt, das ist eine lange Geschichte.«
    »Dann bleib eben morgen auch noch; erzähl! Du bist
schließlich eine Drohne, du kannst doch aus eigener Kraft
zurückschweben…«
    »Aber ich habe gesagt, ich besuche sie, wenn das Luftschiff
hier eintrifft, Tish. Außerdem brauchen meine AG-Einheiten
dringend eine Wartung; sie würden wahrscheinlich versagen, und
ich würde am Meeresboden landen und müßte gerettet
werden; sehr peinlich.«
    »Nimm einen Flieger zurück«, schlug der Mann vor,
während er beobachtete, wie die Küste unter ihnen
vorbeiglitt. Leute, die sich am Strand um Feuer herum versammelt
hatten, winkten herauf. Er hörte Musik, die vom warmen Wind
herangetragen wurde.
    »Ach, ich weiß nicht… wahrscheinlich wären
sie traurig.«
    Tishlin nahm einen Schluck aus seinem Glas und blickte
stirnrunzelnd hinunter auf die Wellen, die sich an dem Strandstreifen
brachen, der zu den Lichtern der Stadt führte. Ein besonders
großer und

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