Exzession
um es zu glätten, so
gut es eben ging. Ihre Finger blieben stecken, von Knoten
aufgehalten. Sie versuchte nicht, sie herauszuziehen; sie freute sich
lieber auf den langen, langsamen Vorgang, wenn sie ihr gekämmt,
behutsam entzaust und gestreichelt würden, später am Abend,
von Byr.
Wellen rauschten auf den Kies und die Steine der Küste zu
beiden Seiten neben ihr, mit laut seufzendem, stöhnendem
Schnaufen, das wie das Atmen eines großen Meeresgeschöpfes
klang, ein anschwellendes, sich vertiefendes Geräusch, das in
einem kleinen Augenblick der Halb-Stille endete, bevor die
nächste der großen Wogen kippte und gegen den
zerklüfteten, murmelnden Hang aus Felsen und Steinen krachte,
die riesigen glitzernden Kiesel schiebend und ziehend und rollend, in
der schmatzenden Bewegung des Wassers, das sich seinen Weg zwischen
den Ritzen hindurch bahnte, während die Steine rutschten und
klickend gegeneinander stießen.
Direkt vor ihr, wo ein Felssims gleich unter der
Meeresoberfläche aufragte, waren die Wellen, die sich an dem
flacheren Hang brachen, kleiner, beinahe freundlicher, und die
Hauptwucht des dröhnenden, anschwellenden Ozeans wurde
fünfzig Meter weiter draußen an einem groben Halbkreis
gebrochen, gekennzeichnet durch eine Linie aus schäumender
Brandung.
Sie verschränkte die Hände im Schoß, unter der
Wölbung ihres Bauches, und schloß die Augen. Sie holte
tief Luft, sog den Ozon und den Laugengeruch scharf in die
Nüstern, schuf eine Verbindung zu der salzigen Ruhelosigkeit des
Meeres, machte sich, in Gedanken, wieder zu einem Teil seiner
großen flüssigen Vereinigung von Beständigkeit und
Veränderung, tränkte ihre Gedanken mit etwas von dieser
sich hebenden und senkenden, beschützenden Weite, dieser
weltdurchdringenden Wiege einer geschichteten, nachtmachenden
Tiefe.
In ihrem Geist, in der Halb-Trance, in der sie sich jetzt befand,
trat sie lächelnd durch ihre eigenen flüssigen Schichten
von Schutz und Bestätigung, dorthin, wo ihr Baby lag, gesund und
wachsend, halb wach, halb schlafend, vollkommen schön.
Ihr genetisch veränderter Körper horchte behutsam in den
plazentalen Vorgang hinein, der die vereinte und dennoch sich von
ihrem eigenen Immunsystem geringfügig unterscheidende Chemie und
die Erbanlagen des Körpers des Kindes schützte, und
erfüllte zärtlich die selbstsüchtigen, gierigen
Ansprüche, die das Baby an die Quellen von Blut, Zucker,
Proteinen, Mineralien und Energie stellte.
Die Verlockung war groß, andauernd an den Einrichtungen, die
alles regulierten, herumzuspielen, sich einzumischen, als ob man
durch ein solches Einmischen beweisen könnte, wie gewissenhaft
und aufmerksam man war, aber sie widerstand ihr stets, zufrieden
damit, daß es keine warnenden Anzeichen gab, keinen Hinweis
darauf, daß irgendeine Unausgewogenheit ihre oder die
Gesundheit des Fötus zu gefährden drohte, und
glücklich darüber, die systemische Weisheit des
Körpers über den Drang des Gehirns, sich einzumischen,
siegen zu lassen.
Indem sie den Brennpunkt ihrer Konzentration verlagerte, gelang es
ihr, einen anderen eingebauten Sinn zu gebrauchen, den kein
Geschöpf aus irgendeinem Teil ihres Kultur-Erbes jemals besessen
hatte, um ihr werdendes Kind anzusehen, indem sie seine Gestalt in
ihrem Geist formte, und zwar aus den Informationen, die ein
spezialisierter Unter-Organismus empfing, der in dem bis jetzt noch
ungebrochenen Wasser um den Fötus herum schwamm. Sie sah es;
zusammengekauert in einem kugeligen Spektrum aus glatten
Rosatönen, gekrümmt um die Nabelschnur-Verbindung zu ihr,
als ob es sich auf seine Blutversorgung konzentrierte und versuchte,
die Fließmenge und den Sättigungsgrad zu steigern.
Sie war voller Bewunderung dafür, wie immer; für diese
kopflastige Schönheit, diese seltsame Anmutung einer leeren,
formlosen Eindringlichkeit. Sie zählte seine Finger und Zehen,
betrachtete die fest geschlossenen Augenlider, schmunzelte über
den winzigen eingebetteten Spalt, der von der unbeeinflußten
Wahl der Zellen zeugte, die auf eine kongenitale Weiblichkeit
gefallen war. Halb sie, halb etwas Seltsames und Fremdes. Eine neue
Ansammlung von Materie und Informationen, die sich dem Universum
präsentieren würde, welches sich im Gegenzug wiederum
diesem neuen Geschöpf präsentieren würde;
unterschiedliche oder womöglich gleiche Teile dieser
großartigen, sich ständig wiederholenden und doch
ständig ändernden Gerichtsbarkeit des Daseins.
Beruhigt, weil alles in Ordnung
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