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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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war, überließ sie das
dumpf sich selbst bewußte Wesen der Fortsetzung seines
zielgerichteten, nicht-denkenden Wachstums und wandte sich wieder dem
Teil der realen Welt zu, wo sie auf dem Kiesstrand saß und
Wellen laut und schäumend gegen die zerklüfteten, raunenden
Felsen klatschten.
    Als sie die Augen öffnete, war Byr da; sie stand knietief in
den kleinen Wellen genau vor ihr, mit nassem Anzug, das goldene Haar
in feuchten, geringelten Strähnen, das Gesicht dunkel vor dem
Bild des roten Sonnenuntergangs hinter ihr, gerade dabei, die
Gesichtsmaske des Anzugs abzunehmen.
    »’n Abend«, sagte sie und lächelte.
    Byr nickte und tapste aus dem Wasser, ließ sich neben ihr
nieder und legte einen Arm um sie. »Geht es dir gut?«
    Sie griff nach der Hand, die auf ihrer Schulter lag. »Es geht
uns beiden gut«, sagte sie. »Und der Bande?«
    Byr lachte, streifte die Füße des Anzugs ab und
enthüllte schrumpelige rosa-braune Zehen.
»Sk’ilip’k’ hat beschlossen, daß ihm die
Vorstellung gefällt, an Land herumzulaufen; er sagt, er
schämt sich, daß seine Vorfahren das Meer verlassen haben
und dann wieder hineingegangen sind, als ob die Luft zu kalt
wäre. Er möchte, daß wir aus ihm eine wandelnde
Maschine machen. Die anderen halten ihn für verrückt,
obwohl der Gedanke, daß sie alle irgendwie gemeinsam fliegen,
eine gewisse Unterstützung findet. Ich habe ihnen noch einige
Bildschirme dagelassen und ihren Zugriff auf die Flugarchive
erweitert. Sie haben mir das mitgegeben, für dich.«
    Byr zog etwas aus der Seitentasche des Anzugs und reichte es
ihr.
    »Oh, danke.« Sie nahm die kleine Figurine in die Hand,
drehte sie behutsam mit den Fingern um und betrachtete sie im
verblassenden roten Licht des sich neigenden Tages. Sie war
schön, gearbeitet aus einem weichen Stein, und eine vollkommene
Umsetzung ihrer Vorstellung dessen, wie ein Mensch aussehen sollte;
mit natürlichen Schwimmflossen versehene Füße, die
Beine bis zu den Knien zusammengewachsen, der Körper fetter, die
Schultern schlank, der Hals dicker, der Kopf schmaler, haarlos. Es
sah aus wie sie; das Gesicht, so verzerrt es auch war, wies eine
deutliche Ähnlichkeit mit dem ihren auf. Wahrscheinlich
G’Istig’tk’ts Werk; die Figurine zeigte eine Feinheit
der Linien und einen gewissen Humor in ihrem Ausdruck, der ihr etwas
über die Persönlichkeit des alten Weibchens aussagte. Sie
hielt die kleine Statue vor Byr hoch. »Findest du, daß sie
wie ich aussieht?«
    »Na ja, auf jeden Fall wirst du genauso fett.«
    »Oh!« sagte sie und versetzte Byr einen leichten Klaps
auf die Schulter. Sie sah hinab auf ihren Schoß, streckte die
Hand aus, um ihren Bauch zu streicheln. »Ich denke,
allmählich zeigst du dich, endlich«, sagte sie.
    Byr lächelte; ihr Gesicht war immer noch mit Wassertropfen
gesprenkelt, die im sterbenden Licht glitzerten. Sie sah hinab, nahm
Dajeils Hand, strich über ihren Bauch. »Na«, sagte sie
und erhob sich. Sie hielt Dajeil die Hand hin und sah zum Turm.
»Du kommst doch herein, oder willst du den ganzen Abend hier
sitzen und dich mit dem Ozean unterhalten? Wir haben Gäste, hast
du das vergessen?«
    Sie atmete tief ein, um etwas zu erwidern, dann streckte sie die
Hand aus. Byr half ihr beim Aufstehen; sie fühlte sich
plötzlich schwer, tolpatschig und – unbeholfen. Ihr
Rücken schmerzte dumpf. »Gut, laß uns reingehen,
ja?«
    Sie wandten sich dem einsamen Turm zu.

 
9 – Ungehöriges Benehmen
     
     
I
     
    Die Verbindungen der Exzession mit den beiden Bereichen des
Energiegitters fielen einfach weg, zusammenbrechende
Zwillingstürme aus geriffeltem Strangmaterial, das in das Gitter
zurücksank wie die idealisierte Darstellung einer kraftlosen
Explosion auf See. Beide Schichten des Gitters oszillierten ein paar
Augenblicke lang, wieder wie eine auf abstrakte Weise vollkommene
Flüssigkeit, dann lagen sie still. Die Wellen, die an den
Flächen des Gitters entstanden, verdampften schnell zu nichts,
wie von etwas aufgesogen. Die Exzession schwebte frei auf dem
Realraum-Strang, im übrigen so rätselhaft wie eh und
je.
    Eine Zeitlang herrschte Schweigen zwischen den beobachtenden
Schiffen.
    Schließlich fragte die Nüchterner Rat: Ist er
das?
    : Es hat ganz den Anschein, antwortete die AKE Wundersame Wege
Des Schicksals. Sie empfand Angst, Erregung, Enttäuschung
– alles gleichzeitig. Angst vor der Anwesenheit von etwas, das
das zu tun vermochte, was sie soeben beobachtet hatte; Erregung, weil
sie Zeuge dieses

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