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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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vorschlug, ein Kind miteinander zu
haben, und noch später, während sie diesen Gedanken immer
noch herumwälzten, das ›koordinierte Seitenwechseln‹
zu betreiben – denn sie hatten die nötige Zeit, da sie
langfristig in eine Pflicht eingebunden waren –, war er
überschwenglich in seiner Begeisterung, als ob er durch solche
lautstarken Ausbrüche die Zweifel übertönen
könnte, die er in sich selbst hörte.
    »Byr?« fragte eine sanfte Stimme von der kleinen Kuppel,
die von der Dachtreppe auf die Plattform führte.
    Sie drehte sich um. »Hallo?«
    »Hallo. Du konntest wohl auch nicht schlafen, wie?«
sagte Aist, die sich zu Byr an die Brüstung gesellte. Sie war
mit einem dunklen Pyjama bekleidet; ihre nackten Füße
platschten auf dem Fliesenboden.
    »Nein«, sagte Byr. Sie brauchte nicht viel Schlaf. Byr
verbrachte neuerdings ziemlich viel Zeit allein, während Dajeil
schlief oder mit überkreuzten Beinen in einem ihrer
Trancezustände dasaß oder in dem Kinderzimmer herumkramte,
das sie für ihre Babies vorbereitet hatten.
    »Mir geht’s genauso«, sagte Aist, verschränkte
die Arme unter dem Busen und beugte sich über die Brüstung,
so daß ihr Kopf und ihre Schultern über den Rand
baumelten. Sie spuckte langsam aus; der weiße Klecks fiel
weiß durch das Mondlicht und verschwand am dunklen Hang des
unteren Stockwerks. Sie schaukelte auf den Füßen
zurück und strich sich einige Strähnen ihres mittellangen
braunen Haars aus den Augen, während sie mit einem gerade eben
wahrnehmbaren Stirnrunzeln Byrs Gesicht betrachtete. Sie
schüttelte den Kopf. »Weißt du«, sagte sie,
»ich hätte dir nie zugetraut, daß du eine
Geschlechtsumwandlung machst, ganz zu schweigen davon, ein Kind zu
bekommen.«
    »Ich mir auch nicht«, sagte Byr, stützte sich auf
die Brüstung und blickte hinaus aufs Meer. »Manchmal kann
ich es immer noch nicht glauben.«
    Aist lehnte sich neben sie. »Trotzdem, es ist doch in
Ordnung, oder nicht? Ich meine, du bist doch glücklich, nicht
wahr?«
    Byr sah sie an. »Das sieht man doch wohl, oder?«
    Aist schwieg eine Weile. Schließlich sagte sie. »Dajeil
liebt dich sehr. Ich kenne sie seit zwanzig Jahren. Sie hat sich
ebenfalls vollkommen verändert, weißt du, nicht nur du.
Sie war immer wirklich unabhängig, wollte niemals Mutter sein,
wollte sich niemals auf eine feste Beziehung einlassen, jedenfalls
nicht für längere Zeit. Nicht bevor sie alt wäre. Ihr
beide habt euch gegenseitig so sehr verändert. Das ist… das
ist wirklich etwas. Beinah beängstigend, aber – na ja
– auf jeden Fall eindrucksvoll, verstehst du?«
    »Natürlich.«
    Es herrschte wieder eine Zeitlang Schweigen. »Was glaubst du,
wann wirst du dein Baby bekommen?« fragte Aist. »Wie lange
nachdem sie… Ren bekommen hat, so soll es doch heißen,
nicht wahr?«
    »Ja. Ren. Ich weiß nicht. Wir werden sehen.« Byr
stieß ein kurzes Lachen aus, beinahe mehr wie ein Husten.
    »Vielleicht warten wir, bis Ren groß genug ist, um sich
gemeinsam mit uns darum zu kümmern.«
    Aist gab das gleiche Geräusch von sich. Sie beugte sich
wieder über die Brüstung, hob die Füße vom
Fliesenboden und balancierte auf den verschränkten Armen.
»Wie lebt es sich hier so, weit weg von allen anderen? Bekommt
ihr viel Besuch?«
    Byr schüttelte den Kopf. »Nein. Ihr seid erst die dritte
Gruppe von Leuten, die wir hier gesehen haben.«
    »Ganz schön einsam, nehme ich an. Ich meine, ich
weiß, ihr habt euch gegenseitig, aber…«
    »Die ’Ktik sind lustig«, sagte Byr. »Es sind
richtige Individuen. Ich habe inzwischen Tausende von ihnen
kennengelernt, schätze ich. Es gibt so etwa zwanzig oder
dreißig Millionen davon. Viele neue kleine Kumpel zum
Kennenlernen.«
    Aist kicherte. »Ich nehme an, du kannst nicht mit
ihnen…?«
    Byr sah sie an. »Ich habe es nie versucht, aber ich bezweifle
es.«
    »Junge, du warst einmal ein scharfes Eisen, Byr«, sagte
Aist. »Ich erinnere mich, wie wir uns auf der Stilles
Vertrauen zum erstenmal begegnet sind. Ich habe noch nie jemanden
gesehen, der so zielstrebig war.« Sie lachte. »In jeder
Hinsicht. Du warst wie eine Naturgewalt oder so was, ein Erdbeben
oder eine Flutwelle.«
    »Das sind Naturkatastrophen«, bemerkte Byr mit
gespielter Frostigkeit.
    »Na ja, das kommt der Sache ziemlich nahe«, sagte Aist
und lachte sanft. Sie musterte Byr mit einem verhaltenen,
abschätzenden Blick. »Ich nehme an, ich wäre ebenfalls
in die Schußlinie geraten, wenn ich länger

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