Exzession
erste. Wo würde es in Stellung gehen,
wenn es den Befehl innehätte?
In der Nähe, aber nicht ganz in der Mitte der dritten
Woge.
Würde das befehlshabende Schiff das ahnen und seinerseits
eine andere Position einnehmen? Am äußeren Rand der ersten
Welle, irgendwo in der zweiten Welle, ganz hinten oder vielleicht
ganz außerhalb, gänzlich unabhängig von den
Hauptwellen an Schiffen?
Ein Ratespiel.
Es schweifte hoch hinaus durch den vierdimensionalen Bereich des
Infraraums, ließ seine Sensoren über den Strang gleiten
und brachte seine Waffensysteme in Bereitschaft. Seine ungeheuere
Geschwindigkeit brachte die Kriegsflotte schneller heran als irgend
etwas je zuvor in seinem Leben, ausgenommen in seinen überaus
wild schwelgenden Simulationen. Es zischte hoch über sie hinauf
in den Hyperraum, immer noch, so schien es, unentdeckt. Eine Flut
reinen Vergnügens schwappte durch sein Gehirn. Noch nie hatte es
sich so gut gefühlt. Bald, sehr bald, würde es sterben,
aber es würde ruhmreich sterben, und sein Ruf würde
übergehen auf das neue Schiff, das mit seinen Erinnerungen und
mit seiner Persönlichkeit geboren werden würde,
übertragen in seinem Gehirnsubstrat an die Erschieß Sie
Später.
Es stürzte sich auf die dritte Welle herankommender Schiffe
wie ein Raubvogel auf eine Herde Lemminge.
VI
Byr stand auf der runden Steinplattform oben auf dem Turm und
blickte hinaus auf den Ozean, wo zwei Linien aus Mondlicht schmale
Silberstriche auf das unruhige Wasser zeichneten. Die Kristallkuppel
des Turms hinter ihr war dunkel. Sie war zur selben Zeit zu Bett
gegangen wie Dajeil, die in letzter Zeit sehr schnell ermüdete.
Sie hatten artige Entschuldigungen vorgebracht und die anderen
verlassen. Kran, Aist und Tulyi waren allesamt Freunde von der AKE Ungehöriges Benehmen, ein weiteres Tochterschiff der Stilles Vertrauen. Sie kannten Dajeil seit zwanzig Jahren; die
drei waren vier Jahre zuvor auf der Stilles Vertrauen gefahren
und so ziemlich die letzten Leute gewesen, die Byr und Dajeil vor
ihrem Aufbruch nach Telaturier gesehen hatten.
Die Ungehöriges Benehmen kreiste durch dieses Gebiet,
und sie hatten sie dazu überredet, sie für ein paar Tage
hier abzusetzen, damit sie ihre alte Freundin besuchen konnten.
Die Monde warfen ihr gestohlenes Licht glitzernd über den
ungestümen Tanz der Wellen, und Byr gab sich Überlegungen
hin, drüste sich ein wenig Diffus ein und dachte,
daß das Vaus-Mondlicht, das ständig dem Betrachter
zustrebte, eine Art von Egozentrik förderte, eine
übertrieben romantische Vorstellung von der eigenen
Zentralität aller Dinge, einen Irrglauben an die
persönliche Vorrangigkeit. Sie erinnerte sich daran, wie sie das
erste Mal hier gestanden und ihre Gedanken an diesen Linien hatte
entlanggleiten lassen, als sie noch ein Mann gewesen war und er und
Dajeil nicht lange zuvor hier angekommen gewesen waren.
Es war das erste Mal, daß er und Dajeil – endlich, nach
all dem Theater – beieinander gelegen hatten. Danach war er
mitten in der Nacht hier heraufgekommen, während sie
weitergeschlafen hatte, und hatte über das Wasser geblickt.
Damals war es beinahe ruhig gewesen, während die Mondspuren in
schimmernder Trägheit beinahe ungebrochen auf der
ungestörten Fläche des stillen Wassers des Ozeans
lagen.
Er hatte sich damals gefragt, ob er einen schrecklichen Fehler
begangen hatte. Ein Teil seines Geistes war überzeugt davon,
daß es so war, ein anderer Teil berief sich auf den hohen
moralischen Grund der Reife und versicherte ihm, es sei der
klügste Zug gewesen, den er jemals gemacht hatte, daß er
nämlich endlich erwachsen würde. In jener Nacht war er zu
dem Schluß gekommen, daß, selbst wenn er einen Fehler
gemacht hatte, nun – dann war es eben so; es war ein Fehler, mit
dem man nur umgehen konnte, indem man ihn umschlang, indem man ihn
mit beiden Händen packte und die Folgen dieser Entscheidung
akzeptierte; er konnte seinen Stolz nur bewahren, indem er ihn
für die Dauer dieses Auftrags beiseite legte. Er würde
diese Arbeit vollenden, er würde seine Aufgabe erfüllen und
würde sich nichts vorzuwerfen haben, da er seine eigenen
Interessen denen Dajeils opferte. Die Belohnung dafür war,
daß er sich niemals glücklicher gefühlt hatte und
daß er – beinahe zum erstenmal – sich verantwortlich
fühlte für das Wohlergehen und die Freude eines anderen
Menschen, und zwar in einem Maße, das über das
Unmittelbare hinausging.
Als sie ihm Monate später
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