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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gehirnsubstrat zu empfangen, werde ich es
dir trotzdem übermitteln. Wirst du mein Gehirnsubstrat
empfangen?
    00
    Wenn du darauf bestehst. Aber ich tue es mit einem unguten
Gefühl…
     
    Das Schiff übermittelte dem anderen Schiff eine Kopie dessen,
was in früheren Zeiten vielleicht als seine Seele bezeichnet
worden wäre. Danach empfand es ein seltsames Gefühl der
Erleichterung und der Freiheit, während es seine Vorbereitungen
für den Kampf vollendete. Nun spürte es eine sonderbare,
einerseits stolze und andererseits demütigende Verbundenheit mit
den Kriegern aller Spezies in allen Zeitaltern, die sich von ihrem
Leben, ihrer Liebe, ihren Freunden und Verwandten verabschiedet,
ihren Frieden mit sich selbst sowie mit jedweder in ihrer Vorstellung
herrschenden Wesenheit, die ihr Aberglaube ihnen eingab, gemacht und
sich darauf vorbereitet hatten, in der Schlacht zu sterben.
    Es empfand einen flüchtigen Augenblick lang Scham
darüber, daß es jemals solche Barbaren wegen ihrer
mangelnden Zivilisiertheit verachtet hatte. Es hatte immer
gewußt, daß sie nichts dafür konnten, wenn sie so
niedrige Geschöpfe waren, aber es hatte dennoch Schwierigkeiten,
sich von seinen Gefühlen gegenüber derartigen Tieren zu
lösen, von dieser aristokratischen Geringschätzigkeit, die
unter seinen Gehirn-Kollegen so weit verbreitet war. Jetzt erkannte
es eine Wesensgleichheit, die nicht nur die Epochen, Spezies oder
Zivilisationen überspannte, sondern auch den noch viel breiteren
Spalt zwischen dem tastend-verwirrten und dumpfen Bewußtsein
eines Tiergehirns und dem beinahe unendlich weitreichenderen,
verfeinerten und vollkommenen Empfindungsvermögen dessen, was
die meisten Ahnenspezies amüsiert und verschroben-zufrieden als
Künstliche Intelligenz bezeichneten (oder als etwas
gleichermaßen und – vielleicht angemessenerweise –
unbewußt Verunglimpfendes).
    Es hatte also jetzt die Wahrheit in einer Art von Reinheit
entdeckt, die der Betrachtung und der Vorbereitung auf die
Selbstaufopferung innewohnte. Es war etwas, das sein kürzlich
übertragenes Gehirnsubstrat – sein neues Ich, das in nicht
allzu langer Zeit in der Matrix eines neuen Kriegsschiffes geboren
werden sollte – vielleicht niemals erfahren würde. Es erwog
flüchtig, sein gegenwärtiges Gehirnsubstrat auszusenden, um
es gegen das auszutauschen, das es bereits übermittelt hatte,
aber gleich darauf verwarf es den Gedanken wieder; zum einen
würde das eine weitere Zeitvergeudung bedeuten, und zum anderen
– und das war das wichtigere –, es würde der
merkwürdigen Ruhe und Selbstsicherheit schaden, die es jetzt
empfand, wenn es dieses Substrat auf künstlichem Weg in ein
Gehirn versetzen würde, das nicht im Begriff war zu sterben. Es
würde unangemessen sterben, vielleicht sogar ruhelos. Nein; es
würde sich ausschließlich an diese klare Sicherheit
halten, sie an seine von Schuld befreite Seele drücken wie einen
Talisman der heiligen Überzeugung.
    Das Kriegsschiff prüfte seine inneren Systeme. Alles war
bereit; jede weitere Verzögerung wäre ein Rückzug in
Ausflüchte gewesen. Es drehte sich um, in die Richtung, aus der
es gekommen war. Es gab seinen Motoren Energie, um allmählich,
schleichend, ins Nichts zu beschleunigen. Als es sich bewegte,
ließ es den Raum-Strang hinter sich, übersät mit
Minen und hyperraumfähigen Raketen. Sie würden
höchstens einige wenige Schiffe zerstören, selbst wenn sie
Glück hatten, aber immerhin würden sie den Rest
verlangsamen. Es paßte seine Geschwindigkeit einer
Antriebs-Degradation von 128, dann 64, dann 32 Stunden an. Dabei
blieb es. Noch weiter zu gehen hätte bedeutet, eine sofortige
und katastrophale Kampfunfähigkeit zu riskieren.
    Es jagte durch die dunklen Stunden der Entfernung, die für
das reine Licht Jahrzehnte bedeutete, herrlich in seiner
triumphierenden, opferbereiten Schnelligkeit, strahlend in seiner
kriegerischen Rechtschaffenheit.
    Es spürte die herannahende Flotte vor sich, wie ein Muster
aus hell dahinflitzenden Kometen in diesem wahrgenommenen Raum.
Sechsundneunzig Schiffe, angeordnet in einem groben Kreis, verteilten
sich über die vorderen dreißig Jahre des 3-D-Raums, halb
über, halb unter dem Strang. Dahinter lagen die Spuren einer
zweiten Welle, zahlenmäßig von derselben Größe
wie die erste, aber das doppelte Volumen einnehmend.
    Dreihundertundvierundachtzig Schiffe waren auf Armseligkeit
eingelagert gewesen. Vier Angriffswellen, jede davon von derselben
Größe wie die

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