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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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geblieben
wäre.«
    »Könnte schon sein«, pflichtete Byr mit müder,
resignierter Stimme zu.
    »Ja, es hätte alles ganz anders laufen
können«, sagte Aist.
    Byr nickte. »Oder es wäre ganz genauso
gelaufen.«
    »Also, du hörst dich nicht so an, als wärst du so
ganz glücklich damit«, sagte Aist. »Mir hätte es
nichts ausgemacht.« Sie beugte sich noch weiter über die
Brüstung und spuckte wieder gekonnt, indem sie den Kopf so
bewegte, daß die Spucke nach außen flog. Diesmal landete
sie auf dem Kiesweg, der um das steinerne Fundament des Turms
herumführte. Sie gab ein zufriedenes Grunzen von sich, mit dem
sie sich selbst lobte, und wandte den Blick wieder Byr zu, wobei sie
sich das Kinn abwischte und lächelte. Sie sah Byr eindringlich
ins Gesicht. »Es ist nicht gerecht, Byr«, sagte sie.
»Du siehst gut aus, was immer du bist.« Sie streckte
zögernd eine Hand zu Byrs Wange aus. Byr sah ihr in die
großen dunklen Augen.
    Ein Mond verschwand hinter einer ausgefransten hohen
Wolkenschicht, und ein leichter Wind kam auf, der nach Regen
roch.
    Eine Prüfung, für ihre Freundin, dachte Byr,
während die langgliedrigen Hände ihr Gesicht streichelten,
sanft wie Federn. Aber die Finger zitterten. Trotzdem, eine
Prüfung; sie ist entschlossen, es zu tun, ist aber nervös
deswegen. Byr hob die Hand und umschloß leicht Aists
Finger. Sie faßte das als Zeichen zum Küssen auf.
    Nach einer Weile sagte Byr: »Aist…« – und wich
zurück.
    »He«, sagte sie leise, »das bedeutet gar nichts,
okay? Die pure Lust. Bedeutet gar nichts.«
    Nach einer weiteren Weile sagte Byr: »Warum tun wir
das?«
    »Warum nicht?« hauchte Aist.
    Byr fielen mehrere Gründe ein, schlafend in der steinigen
Dunkelheit unter ihnen. Wie sehr ich mich verändert habe, dachte sie. Aber so sehr nun auch wieder nicht.

 
VII
     
     
    Ulver Seich spazierte durch den Wohnteil der Grauzone. Wenigstens konnte man auf der AKE ein bißchen mehr
herumlaufen. Wenn sie direkt von dem Familienhaus auf Phago
hierhergekommen wäre, wäre sie ihr entsetzlich eng
vorgekommen, aber nach den klaustrophobischen Zuständen auf der Freier Meinungsaustausch erschien sie ihr beinahe
geräumig (sie hatte so wenig Zeit auf Stuf verbracht und war
während dieser Zeit so emsig mit Vorbereitungen beschäftigt
gewesen, daß das kaum zählte. Was das Neun-Personen-Modul
betraf – uff!)
    Das Innere der Grauzone – dafür gebaut,
dreihundert Leute in angenehmem, wenn auch ein wenig beengtem Komfort
zu beherbergen und jetzt nur Unterkunft für sie, Churt Lyne und
Genar-Hofoen – war eigentlich ziemlich interessant, was ein
unerwartetes Plus auf dieser zunehmend desillusionierenden Expedition
war. Das Schiff glich einem Museum für Folter, Tod und
Völkermord; es war vollgestopft mit Erinnerungsstücken und
Souvenirs von Hunderten verschiedener Planeten, die alle Zeugnis
ablegten von einer Neigung zur institutionalisierten Grausamkeit, die
von so vielen Formen intelligenten Lebens verkörpert wurde. Von
Daumenschrauben über Streckbalken zu Vernichtungslagern und
planetenverschlingenden Schwarzen Löchern bot die Grauzone Musterexemplare an Gerätschaften und Wesenheiten oder
Beispiele für ihre Wirkung oder Dokumentationen über ihren
Einsatz.
    Der Großteil der Korridore des Schiffs war mit Waffen
geschmückt; die größeren Stücke standen am
Boden, andere auf Tischen; umfangreichere Gegenstände nahmen
ganze Kabinen, Räume oder Säle ein, und die ganz
großen Waffen wurden als Modelle in verkleinertem Maßstab
gezeigt. Es gab Tausende von Folterinstrumenten, Keulen, Speeren,
Messern, Schwertern, Strangulierseilen, Katapulten, Bogen,
Pulverkanonen, Haubitzen, Minen, Gaskanistern, Bomben, Spritzen,
Mörsern, Raketen, Atomgeschossen, Laserstrahlern, Feldwaffen,
Plasmakanonen, Donnerbüchsen, Schrotflinten, einfädigen
Wurfschleudern, AM-Projektoren, Gitterfeuer-Impulsern,
ZPE-Flux-Polarisierern, Falltür-Einheiten, CAM-Sprühern und
jede Menge anderer Erfindungen, erdacht zu dem Zweck – oder
geeignet, dafür umgewandelt zu werden –, Tod,
Zerstörung und Qual zu bewirken.
    Einige der Kabinen und größeren Räume waren so
ausgestattet worden, daß sie Folterkammern oder
Sklavenverliesen, Gefängnis- und Todeszellen glichen
(einschließlich des Swimmingpools des Schiffs, obwohl dieser,
nachdem sie erwähnt hatte, daß sie es liebte, jeden Tag
mit einem kleinen Bad zu beginnen, wieder so zurückverwandelt
worden war, daß er seinem ursprünglichen Zweck

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