Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Uniform aus sanftem Grau und
ging zur Brücke, dahin und dorthin mit einem Nicken
grüßend und freundliche Worte mit den anderen wechselnd,
die mit ihr gemeinsam die Schicht antraten oder die ihre Wache
beendet hatten. Sie stülpte sich die geformte Hülle des
Induktionshelms über und schwebte – nach einem halben
Wimpernschlag – im Raum.
    Hier herrschte die sich entfaltende Dunkelheit, die pure
ätzende Leere des unendlichen Raums, in majestätischer
Weite und Tiefe über das gesamte sensorische Reich; eine
grenzenlose Vorahnung verzehrender Gnade und gleichzeitig der
Bedeutungslosigkeit. Sie blickte sich in dem Nichts um, und ferne
Sterne und Galaxien waberten in ihr Sichtfeld. Die Sicht
stabilisierte sich.
    Der ferne Stern. Das Rätsel.
    In solchen Augenblicken fühlte sie nicht nur die Einsamkeit
dieser unergründlichen Wildnis und dieser beinahe absoluten
Leere, sondern auch die ihrer eigenen Lage und ihres ganzen
Lebens.
    Schiffsnamen; sie hatte von einem Fahrzeug mit dem Namen Ich
gebe meiner Mutter die Schuld gehört, und von einem Schiff
mit dem Namen Ich gebe deiner Mutter die Schuld. Vielleicht
war dies eine allgemein mehr verbreitete Klage, als sie es sich
normalerweise zugestand (und natürlich war sie letzten Endes auf
diesem Schiff gelandet, mit seinem speziell ausgewählten Namen,
wobei sie sich stets gefragt hatte, ob dieses Namenspaar eine der
kleinen Gedankenübertragungen ihrer Vorgesetzten gewesen war).
Gab sie wirklich ihrer Mutter die Schuld? Sie glaubte schon. Sie war
nicht der Ansicht, daß sie sich über irgendeinen
technischen Mangel an Zuneigung bei ihrer Erziehung hätte
beschweren können, und doch hatte sie – damals – das Gefühl gehabt, daß es einen solchen gab, und bis
zum heutigen Tag würde sie behaupten, daß die technische
Vollkommenheit beim Großziehen eines Kindes nicht alles
abdeckte, dessen manche Kinder bedurften; kurz gesagt, ihre Tanten
waren ihr nicht genug gewesen. Sie kannte viele Leute, die von
anderen als ihren leiblichen Eltern großgezogen worden waren,
und sie alle machten einen einigermaßen glücklichen
Eindruck, aber für sie war das nicht das Richtige gewesen. Sie
hatte sich schon lange damit abgefunden, daß sie sich das, was
immer es sein mochte, das ihrem Gefühl nach nicht in Ordnung
war, in gewisser Hinsicht selbst zuzuschreiben hatte, auch wenn die
Ursachen davon in etwas begründet waren, das sie nicht
ändern konnte.
    Ihre Mutter hatte sich dafür entschieden, nach der Geburt
ihres Kindes weiterhin im Dienst des Kontakts zu bleiben, und war
kurz nach dem ersten Geburtstag des kleinen Mädchens zu ihrem
Schiff zurückgekehrt.
    Ihre Tanten waren liebevoll gewesen und hatten sich rührend
um sie gekümmert, und sie hatte es niemals übers Herz
gebracht – oder sich zu der verletzenden Boshaftigkeit
durchgerungen –, sie oder irgend jemanden sonst wissen zu
lassen, welche Leere sie in ihrem Innern fühlte, wie viele Male
sie in ihrem Bett Tränen vergossen und sich die Worte vorgesagt
hatte, mit denen sie genau das auszudrücken gedachte.
    Vielleicht hätte sie einen Teil ihres Bedürfnisses nach
Eltern auf ihren Vater übertragen können, aber sie hatte
eigentlich nicht das Gefühl gehabt, daß er eine Rolle in
ihrem Leben spielte; er war einfach nur einer der Männer, die zu
Besuch ins Haus kamen; manchmal blieb er eine Weile lang da, spielte
mit ihr und war nett und sogar liebevoll, doch (anfangs hatte sie das
nur instinktiv gewußt und es sich später, nach einigen
Jahren der Selbsttäuschung, verstandesmäßig
eingestanden) er hatte auf eine fröhlich-unverbindlichere und
lässigere Art mit ihr gespielt und hatte sich
oberflächlicher mit ihr abgegeben als die meisten ihrer Onkel;
sie bildete sich jetzt ein, daß er sie auf seine eigene Weise
geliebt hatte und gern mit ihr zusammen gewesen war, und sicher hatte
sie damals eine gewisse Wärme empfunden, dennoch, es dauerte
nicht lange, bis sie erkannte, und zwar schon als kleines Kind, noch
bevor sie um die genauen Hintergründe wußte, daß die
Häufigkeit und Dauer seiner Besuche im Haus mehr mit seinem
Interesse an der einen oder anderen ihrer Tanten zu tun hatte als mit
irgendwelchen zärtlichen Gefühlen für seine
Tochter.
    Ihre Mutter kam hin und wieder zurück, um ihr Besuche
abzustatten, die für sie beide zu einer ungestümen Mischung
aus schmerzlicher Liebe und zornigen Wutausbrüchen wurden.
Später jedoch, als sie angewidert und erschöpft waren von
diesen verzehrenden und

Weitere Kostenlose Bücher