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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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aufreibenden Episoden, schlossen sie so etwas
wie einen Waffenstillstand; das geschah allerdings auf Kosten
jeglicher Nähe.
    Als ihre Mutter für immer zurückkehrte, war sie für
sie nichts anderes als eine von vielen Freundinnen; jeder von ihnen
beiden hatte bessere Freunde.
    Sie war also immer allein gewesen. Und sie vermutete, ja sie
wußte es beinahe, daß sie ihr Leben bis zum Ende allein
verbringen würde. Das war ein Quell der Traurigkeit –
obwohl sie versuchte, sich niemals Selbstmitleid zu gestatten –
und auf eine unterschwellige Weise auch der Scham, denn tief im
Innern ihrer Seele konnte sie der quälenden Sehnsucht nach
jemand anderem nicht entkommen – nach einem Mann, wenn sie sich
selbst gegenüber ehrlich war –, der kommen und sie retten
würde, um sie aus dem Vakuum herauszuholen, das ihr Dasein war,
und ihre Einsamkeit beenden würde. Das war etwas, das sie
niemals irgend jemandem gegenüber eingestanden hätte, und
doch etwas, von dem ihr eine dunkle Ahnung sagte, daß es den
Leuten und Maschinen bekannt war, die ihr erlaubt hatten, diese
exaltierte, wenn nicht gar bedrückende Position einzunehmen.
    Sie hoffte, daß es ein Geheimnis war, das nur sie selbst
kannte, doch sie wußte sehr wohl um das Ausmaß des
Wissens, der Erfahrung, die hinter jenen stand, die Macht über
sie und ihresgleichen ausübten. Ein Individuum konnte eine
solche Intelligenz nicht austricksen; er oder sie konnten vielleicht
zu einem Einvernehmen mit ihr kommen, sich mit ihr arrangieren, aber
jedes Ausschmieren oder Übertrumpfen war ausgeschlossen; es
blieb einem nichts anderes übrig, als sich mit der
Wahrscheinlichkeit abzufinden, daß ihnen all deine Geheimnisse
bekannt waren, und darauf zu vertrauen, daß sie dieses Wissen
nicht mißbrauchten, sondern es sich ohne Bosheit zunutze
machten. Ihre Ängste, ihre Bedürfnisse, ihre Unsicherheit,
ihr Ehrgeiz und ihre Kompensationsbemühungen – sie alle
konnten gewogen, gemessen und dann benutzt, konnten für
bestimmte Zwecke eingesetzt werden. Sie empfand es als ein Abkommen,
und zwar eines, das sie nicht ablehnte, denn es gereichte beiden
Teilen zum Vorteil. Sie selbst und die anderen – jeder bekam,
was er wollte; die anderen einen fähigen, aufopferungsbereiten
Offizier, der fest entschlossen war, sich bei der Durchsetzung ihrer
Sache zu bewähren, und sie selbst die Chance, nach Anerkennung
zu trachten und sie zu erlangen, die Bestätigung, daß sie
etwas wert war.
    Ein derartiges Vertrauen und die vielfältigen Gelegenheiten,
einen Beweis ihres Eifers und ihrer erfahrenen Weisheit zu liefern,
hätten ihr eigentlich genügen müssen, aber trotzdem
war es irgendwie nicht so, und sie sehnte sich nach etwas, das keine
Verbindung zwischen ihr und irgendeinem Konglomerat bieten konnte;
das Verlangen nach persönlicher Wärme, nach Anerkennung
ihres Wertes als Individuum, die nur etwas bedeuten konnte, wenn sie
von einem anderen Individuum kam.
    Sie drehte sich in einem Kreis von unterschiedlichen Phasen, in
denen sie sich das selbst eingestand und hoffte, daß sie eines
Tages jemanden finden würde, bei dem sie sich ganz und gar
wohlfühlen würde, bei dem sie endlich Achtung und
Wertschätzung nach ihren eigenen strengen Maßstäben
finden würde – und dann wieder solchen, in denen sie all
das ablehnte, fest entschlossen, sich nach ihrem Standard und dem des
großen Dienstes, dem sie sich angeschlossen hatte, zu
bewähren, ihren Entschluß dahingehend zu formen, daß
sich ihre Frustration gegen sie und zu ihrem Vorteil wandte, um die
aus ihrer Einsamkeit entstehende Energie zum Nutzen ihrer
praktischen, methodisch realisierbaren Bestrebungen umzusteuern; eine
weitere Qualifikation, ein weiterer Studienweg, eine Promotion, eine
weitere Führungsposition, weiterer Aufstieg…
    Das Rätselhafte zog sie an, nicht weniger als der
unmöglich alte Stern. Hier, in dieser Entdeckung, mochte letzten
Endes eine Art Ruhm liegen, der ihr Verlangen nach Anerkennung
womöglich stillen würde. Jedenfalls redete sie sich das
manchmal ein. Hier gab es immerhin bereits eine sonderbare Art von
Wesensverwandtschaft, so etwas wie ein Zwillingsdasein, selbst wenn
es auf einem nicht plausiblen Mysterium beruhte.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Rätselhaften zu, eilte
anscheinend in der Dunkelheit darauf zu, plusterte seine schwarze
Gegenwart auf, bis es ihr Sichtfeld ausfüllte.
    Ein Lichtblitz bannte ihre Aufmerksamkeit nahe seinem Zentrum.
Irgendwie, ohne viel mehr als ein

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