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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Nachrichtendienst einen halbernsten Film ablaufen, wie man sich
bei einem Affronter einschmeicheln sollte, wenn man zufällig auf
einen stieße, als ihm plötzlich sein Traum der vergangenen
Nacht – das, was ihm an der Schwelle zum Erwachen als
Halb-Erinnerung in den Sinn gekommen war – wieder einfiel.

 
X
     
     
    Byr erwachte in der Nacht und sah Dajeil über sich stehen,
ein Messer fest mit beiden Händen umklammert, die Augen weit
aufgerissen und wild starrend, das Gesicht immer noch von Tränen
geschwollen.
    Das Messer war blutverschmiert. Dann kehrte der Schmerz
schlagartig zurück. Die erste Reaktion von Byrs Körper war
gewesen, ihn einfach auszugrenzen. Nun, da sie wach war, kam er
wieder. Nicht die Todesqual, die ein Basismensch empfunden
hätte, sondern das tiefe, entsetzliche, grauenvolle
Bewußtsein von Schaden, das ein zivilisiertes Geschöpf
ohne das hinderliche Erleiden von grobem Schmerz empfinden konnte.
Byr brauchte einen Augenblick, bis sie begriff.
    Was? Was war geschehen? Was? Ein Dröhnen in den Ohren. Ein
Blick rundum, um festzustellen, daß das ganze Bettzeug rot war.
Ihr Blut. Bauch. Aufgeschlitzt. Offen. Glitschige Massen in
Grün, Purpur, Gelb. Immer noch quellendes Rot. Schock. Schwerer
Blutverlust. Was würde Dajeil jetzt tun? Byr sank zurück.
So sollte es also enden.
    Ein wahrhaftiges Gemetzel, wirklich. Das Gefühl von
versagenden Systemen. Verlust des Körpers. Gehirn saugte Blut
auf, um Sauerstoff zu speichern, entschlossen, so lange wie
möglich am Leben zu bleiben, obwohl es seinen
Selbstversorgungs-Mechanismus eingebüßt hatte. Sie
verfügten über medizinische Gerätschaften im Turm, die
sie immer noch hätten retten können, aber Dajeil stand nur
da und starrte sie an, wie schlafwandlerisch oder wahnsinnig oder von
Drogen berauscht. Sie stand da und starrte sie an, stand da und sah
ihr beim Sterben zu.
    Das hatte immer noch etwas Gefälliges. Frauen; Penetration.
Dafür hatte er gelebt. Jetzt sollte er daran sterben. Jetzt
würde es ihm/ihr zum Verhängnis werden, und Dajeil
würde wissen, daß er sie wirklich geliebt hatte.
    Ergab das einen Sinn?
    Ja, tat es das? fragte sie den Mann, der sie einst gewesen
war.
    Schweigen seinerseits; nicht tot, aber gewiß nicht da,
fürs erste verschwunden. Sie war allein, starb allein. Den Tod
erleidend durch die Hand der einzigen Frau, die sie/er jemals geliebt
hatte.
    Ergab das einen Sinn?
    … Ich bin, wer ich immer war. Was ich als maskulin
bezeichnet habe, in was ich mich gesonnt habe, war nur ein Vorwand
für mein Ich-Sein, oder nicht?
    Nein. Nein. Nein und nochmals nein – und Scheiße,
Lady!
    Byr legte beide Hände auf die Wunde und den abscheulichen,
schweren Fleischfetzen und schwang sich auf der anderen Seite aus dem
Bett, das blutschwere Oberlaken mit sich ziehend. Sie taumelte ins
Bad, drückte sich die Eingeweide in den Bauch zurück und
versuchte die ganze Zeit, Dajeil nicht aus den Augen zu lassen. Die
stand immer noch da und starrte auf das Bett hinab, als ob sie gar
nicht bemerkt hätte, daß Byr gegangen war, als ob sie auf
eine Projektion blickte, die nur sie allein sehen konnte, oder auf
ein Gespenst.
    Byrs Beine und Füße waren blutüberströmt. Sie
rutschte gegen den Türrahmen und war nahe daran, das
Bewußtsein zu verlieren, schaffte es jedoch, in den
pastellfarbenen Wohlgeruch des Raums zu taumeln. Die Badtür
schloß sich hinter ihr. Sie sank auf die Knie. Jetzt war ein
lautes Dröhnen in ihrem Kopf; ihre Sicht war tunnelartig, als ob
sie in das falsche Ende eines Teleskops blickte. Ein starker,
scharfer Blutgeruch; verblüffend, entsetzlich.
    Der Lebensrettungskragen befand sich in einem Kasten mit der
übrigen medizinischen Notversorgung, in weiser Voraussicht unter
Taillenhöhe angebracht, damit man kriechend zu ihm gelangen
konnte. Byr klemmte sich den Kragen um und krümmte sich am Boden
zusammen, umklammerte die Fissur in ihrem Bauch und die lange blutige
Nabelschnur, die das leuchtend rote Bettlaken war. Etwas legte sich
zischend und kribbelnd um ihren Hals.
    Selbst das Zusammengekrümmt-Daliegen war eine zu große
Anstrengung. Sie erschlaffte auf der weichen Wärme der Fliesen.
Es war leicht, sich dem Zerfließen hinzugeben, da das viele
Blut den Boden so rutschig machte.

 
XI
     
     
    Im Traum sah er zu, wie Zreyn Tramow einem Bett von rosafarbenen
Blütenblättern entstieg. Einige klebten noch wie kleine
örtlich begrenzte Rötungen auf ihrer rosa-braunen
Nacktheit. Sie kleidete sich in ihre

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