Exzession
nein; sie
vermochte nicht zu sagen, wer die anderen gewesen waren.
Sie durfte nicht an sie denken! Und sie konnte
unmöglich den Angriff abblasen! Das konnte sie nicht! Nein!
NEIN! Herrje! Stop! Anhalten! Aufhören! Süßes Nichts,
alles war besser als diese zugrunderichtende, zerfetzende
Unsicherheit, jedes Entsetzen war diesem schmerzlichen Grauen, das
unbeherrschbar in ihrem Gehirn brodelte, vorzuziehen.
Welcher Greuel! Welche Abscheulichkeit! Gigatodesverbrechen!
Sie war wertlos und hassenswert, verabscheuungswürdig und
verderbt, sie war ausgewrungen, erschöpft und unfähig zur
Offenbarung oder Kommunikation. Sie haßte sich selbst und das,
was sie getan hatte, mehr, viel mehr als alles, was sie jemals
gehaßt hatte; mehr noch, davon war sie überzeugt, als
alles seit Anbeginn jeder Existenz jemals gehaßt worden war.
Kein Tod konnte zu schmerzhaft oder zu quälend langsam
sein…
Und plötzlich wußte sie, was sie zu tun hatte.
Sie koppelte ihre Antriebsfelder vom Energiegitter ab und
versenkte diesen Wirbel reiner Energie tief hinein in den Stoff ihres
Gehirns, wo er ihren Intellekt in einer empfindungsbefrachteten
Supernova von Agonie zerriß.
VIII
Genar-Hofoen tauchte wieder auf, trat durch die Vordertür des
Turms heraus.
»Hier oben«, krächzte eine dünne, heisere
Stimme.
Er blickte hinauf und sah den schwarzen Vogel auf der Brustwehr.
Er stand da und betrachtete ihn eine Zeitlang, aber es sah nicht so
aus, als ob er herunterkommen würde. Er runzelte die Stirn und
ging in den Turm zurück.
»Also?« fragte er, als er sich auf der höchsten
Plattform des Turms zu ihm gesellte.
Er nickte. »Verschlossen«, bestätigte er.
Der Vogel hatte beharrlich behauptet, daß er ein Gefangener
sei, zusammen mit ihm. Er hingegen hatte gemeint, daß
vielleicht nur mit seinem Terminal etwas nicht stimmte. Der Vogel
hatte ihm vorgeschlagen zu versuchen, auf demselben Weg
zurückzugehen, den er gekommen war. Er hatte es versucht; die
Hebetür im Keller des Turms war verschlossen und so stabil und
unbeweglich wie die Steine darum herum.
Genar-Hofoen lehnte sich an die Brustwehr zurück und blickte
mit besorgter Miene zur durchscheinenden Kuppel des Turms hinauf.
Während er die gewundene Treppe hinaufgestiegen war, hatte er
einen flüchtigen Blick in jedes der Stockwerke geworfen. Die
Räume des Turms wirkten gleichzeitig möbliert und leer, da
all die persönlichen Dinge, die er und Dajeil ihnen
beigefügt hatten, fehlten. Es sah so aus, als ob der
ursprüngliche Zustand wiederhergestellt worden wäre, so wie
alles gewesen war, als sie auf Telaturier angekommen waren, damals
vor fünfundvierzig Jahren.
»Ich habe es dir ja gesagt.«
»Aber warum?« fragte Genar-Hofoen und versuchte dabei,
einen klagenden Tonfall zu vermeiden. Er hatte noch nie gehört,
daß ein Schiff jemanden gefangengehalten hatte.
»Weil wir Gefangene sind«, erklärte der Vogel und
hörte sich dabei merkwürdig selbstzufrieden an.
»Dann bist du also kein Awatara; du bist nicht Teil dieses
Schiffs?«
»Nö; ich bin eine unabhängige Wesenheit, bin
ich«, verkündete der Vogel stolz und spreizte das Gefieder.
Er drehte den Kopf beinahe einmal um die eigene Achse und blickte
nach hinten. »Gegenwärtig verfolgt von einer beschissenen
Rakete«, sagte er laut. »Aber macht nichts.« Er
schwenkte den Kopf erneut, um ihn wieder anzusehen. »Und was
hast du getan, um das Schiff zu verärgern?« fragte er,
wobei seine schwarzen Augen blinzelten. Genar-Hofoen hatte den
Eindruck, daß er seinen Unwillen genoß.
»Nichts!« entgegnete er scharf. Der Vogel musterte ihn
mit seitlich geneigtem Kopf. Er stieß einen Lufthauch aus.
»Nun ja…« Er blickte sich um. Seine Augenbrauen
wölbten sich. »Nun ja, unserer Umgebung nach zu urteilen,
ist das Schiff vielleicht anderer Ansicht.«
»Ach, das ist gar nichts«, sagte der Vogel. »Das
ist lediglich ein Laderaum, so etwas wie ein Geräteschuppen.
Nicht einmal einen Klick lang. Du hättest den an der
Außenseite sehen sollen, als wir noch eine Außenseite
hatten. Ein ganzes Meer hatten wir, ein ganzes Meer, und eine ganze
Atmosphäre. Zwei Atmosphären.«
»Ja«, sagte der Mensch. »Ja, ich habe davon
gehört.«
»Eigentlich war das alles für sie, irgendwie«, fuhr
der Vogel fort. »Nur stellte sich heraus, daß hinter dem
Ganzen darüber hinaus noch ein höheres Ziel steckte. Das
ganze Zeug wurde für den Antrieb umgebaut, verstehst du? Aber
ansonsten war das alles für sie,
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