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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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während der ganzen
Zeit.«
    Der Mensch nickte. Es hatte den Anschein, daß er
nachdachte.
    »Du bist er, stimmt’s?« sagte der Vogel. Er
hörte sich so an, als ob er mit sich selbst sehr zufrieden
wäre.
    »Ich bin wer?« fragte er.
    »Derjenige, der sie verlassen hat. Derjenige, der hier war,
zusammen mit ihr. Ich meine das wirkliche Hier. Das
Original-Hier.«
    Genar-Hofoen wandte den Blick ab. »Wenn du von Dajeil
sprichst, ja; sie und ich haben einst in einem Turm wie diesem
zusammengelebt, auf einer Insel, die diesem Ort glich.«
    »Ah-ha«, sagte der Vogel, wobei er auf und ab
hüpfte und sein Gefieder schüttelte. »Ich verstehe! Du
bist der Schurke!«
    Genar-Hofoen sah den Vogel wütend an.
»Miststück!« schimpfte er.
    Das schwarze Federvieh stieß ein krächzendes Lachen
aus. »Deshalb bist du hier! Ha-ha; du kannst von
Glück sagen, wenn du überhaupt wieder hinauskommst,
ehrlich! Ha-ha!«
    »Und was hast du getan, du Dreckschleuder?«
fragte Genar-Hofoen den Vogel, mehr weil er hoffte, das Geschöpf
damit zu ärgern, als weil es ihn wirklich interessierte.
    »Oh«, sagte der Vogel, reckte sich und richtete seine
Federn zu einer Art würdevoller Ordnung. »Ich war ein Spion«, sagte er stolz.
    »Ein Spion?«
    »O ja«, bestätigte der Vogel in einem blasierten
Ton. »Vierzig Jahre habe ich damit verbracht, zu belauschen und
zu beobachten und Berichte an meinen Herrn und Meister zu liefern.
Dabei habe ich die Eingelagerten benutzt, die ins Leben
zurückgingen, indem ich Mitteilungen auf ihnen hinterließ.
Vierzig Jahre, ohne ein einziges Mal aufzufliegen. Na ja, bis vor
drei Wochen. Damals haben sie mich auf den Leim gelockt. Vielleicht
schon früher. Das weiß ich nicht. Aber ich habe mein
Bestes getan. Mehr kann man nicht verlangen.« Er machte sich
daran, sein Gefieder zu putzen.
    Der Mensch verengte die Augen zu Schlitzen. »An wen hast du
deine Berichte geliefert?«
    »Das geht dich gar nichts an«, sagte der Vogel und hob
den Blick von seiner Putzerei. Er machte ein paar gefährliche
Hüpfer auf der Brustwehr, um sich außer Reichweite des
Menschen zu bringen.
    Genar-Hofoen verschränkte die Arme und schüttelte den
Kopf. »Was hat dieses verrückte Schiff vor?«
    »Oh, es ist auf dem Weg zur Exzession«, erklärte
der Vogel. »Und zwar mit beträchtlicher
Geschwindigkeit.«
    »Zu diesem Ding beim Esperi?« fragte der Mensch.
    »Genau dorthin«, bestätigte der Vogel.
»Jedenfalls nach dem, was es mir gesagt hat. Und ich
wüßte nicht, warum es mich anlügen sollte. Es
könnte so sein, meine ich. Vielleicht fährt es auch daran
vorbei, aber das glaube ich nicht. Es hält direkt darauf zu.
Schon seit zweiundzwanzig Tagen. Willst du meine Meinung
hören?
    Ich sag sie dir trotzdem. Ich glaube, es macht den
Sturzflug.« Das Geschöpf neigte den Kopf zur Seite.
»Bist du mit diesem Ausdruck vertraut?«
    Genar-Hofoen nickte gedankenverloren. Ihm gefiel das alles
nicht.
    »Es macht den Sturzflug«, wiederholte der Vogel.
»Wenn du mich fragst. Das Ding ist übergeschnappt. Benimmt
sich in den letzten vier Jahrzehnten ein bißchen verdreht. Und
jetzt ist es ganz und gar von der Rolle. Hoch zu Berge und mit
Höchstgeschwindigkeit zum Rand der Klippen hüpfend. Das ist
meine Meinung. Und ich muß mich seit vierzig Jahren mit seiner
Übergeschnapptheit herumplagen. Ich kenne mich damit aus, echt.
Ich weiß, was davon zu halten ist. Dieses Ding ist blöder
als ein Stück Käse. Ich werde mich auf der Trübe
Aussichten davonmachen, wenn es mich läßt. Es ist nun
mal die Sleeper. Ich glaube nicht, daß die Trübe
Aussichten mir was Böses will. Kann ich mir nicht
vorstellen. Nein.« Dann schüttelte er den Kopf, als ob er
sich an einen guten Witz erinnerte, und fügte hinzu: »Der
Schweinepriester, ha! Und du! Du wirst vierzig Jahre hier verbringen,
Kumpel. Das heißt, sofern es nicht mit dieser komischen
Exzession zusammenstößt. Ha! Wieso bist du überhaupt
hierhergekommen? Wolltest du die Ewigschwangere besuchen?«
    Genar-Hofoen machte ein betroffenes Gesicht. »Dann stimmt es
also – sie hat das Kind immer noch nicht bekommen?«
    »Ja«, sagte der Vogel. »Es ist noch in ihr drin.
Angeblich soll es gesund und munter sein. Wenn man das glauben will.
Ich jedenfalls habe es so gehört, obwohl es sich
unwahrscheinlich anhört. Verschroben, würde ich meinen.
Oder inzwischen zu Stein geworden. Aber wie auch immer, sie bekommt
es einfach nicht. Ha!«
    Der Mensch spielte an seiner Unterlippe herum und machte

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