Exzession
das
nicht die Fähigkeit besaß, aus dem Raumzeitgeflecht
herauszutreten. Die Drohne kam sich vor wie ein normalerweise
schnelles, behende fliegendes Insekt, das in einen stehenden Teich
niedergegangen war und dort von der Oberflächenspannung
festgehalten wurde, so daß alle Behendigkeit in seinem
verzweifelten Schicksalskampf gegen ein seltsames, ekelhaft fremdes
Medium verlorengegangen war.
Es dachte wieder an den Unter-Kern, wo der
Selbstreparatur-Mechanismus wartete. Aber nicht ihr eigenes
Reparatursystem, sondern jenes ihres abtrünnigen Zwillings. Sie
konnte nicht glauben, daß dieses nicht auch von dem
Eindringling zerrüttet worden war. Schlimmer als nutzlos; eine
Versuchung. Denn es bestand die verschwindend geringe
Möglichkeit, daß in all der Aufregung dieses System nicht
eingenommen worden war.
Versuchung… Aber nein, sie durfte das Risiko nicht eingehen.
Es wäre Wahnsinn.
Es würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als ihre
eigenen Selbstreparatur-Einheiten herzustellen. Das war möglich,
aber es würde ewig lange dauern, einen Monat. Für einen
Menschen war ein Monat nicht allzu lange; für eine Drohne –
selbst für eine, die mit der schändlichen Langsamkeit des
Lichts auf dem Strang dachte –, war es wie eine mehrfach
lebenslange Strafe. Ein Monat war keine lange Zeit, um zu warten; Drohnen waren sehr gut im Warten und hatten einen ganzen Katalog
von Methoden, um sich die Zeit auf angenehme Weise zu vertreiben oder
einfach aus ihr herauszutreten, aber es war eine schrecklich lange
Zeit, um sich auf etwas zu konzentrieren, an einer einzigen
Aufgabe zu arbeiten.
Und selbst am Ende dieses Monats wäre das erst der Anfang.
Als mindestes wäre noch eine Menge Feinarbeit erforderlich; die
Selbstreparatur-Mechanismen mußten ausgerichtet, nachgebessert,
zurechtgefummelt werden; einige würden bestimmt demontieren, wo
sie etwas montieren sollten, andere würden duplizieren, was sie
eigentlich polieren sollten. Es wäre, als ob man Millionen
potentieller Krebszellen auf einen bereits geschädigten
Tierkörper losließe und versuchte, die Spur jedes
einzelnen zu verfolgen. Es konnte leicht geschehen, daß sie
sich irrtümlich selbst tötete oder versehentlich die
Eindämmung um den Kern ihres zerstörten Zwillings oder die
ursprünglichen Selbstreparatur-Mechanismen durchbrechen
würde. Selbst wenn alles gutging, konnte der ganze Vorgang Jahre
in Anspruch nehmen.
Verzweiflung!
Dennoch setzte sie die anfänglichen Routinemaßnahmen in
Gang – was hätte sie sonst tun sollen? – und dachte
weiter nach.
Sie hatte einige Millionen Partikel Antimaterie gespeichert, sie
verfügte noch über einige Fähigkeiten in ihrem
Manipelfeld (irgendwo zwischen der Kraft von Fingern und Armen, aber
im Maßstab so weit zu verkleinern, um damit im
Mikrometer-Bereich arbeiten und molekulare Bande durchtrennen zu
können; sie würde beide Fähigkeiten brauchen, wenn es
darum ging, den Prototyp der Selbstreparatur-Konstruktionen zu
bauen), sie besaß zweihundertundvierzig einen Millimeter lange
Nanoraketen, ebenfalls mit AM-Sprengköpfen, sie konnte immer
noch ein kleines Spiegelfeld um sich herum errichten, und sie hatte
ihren Laser, der fast noch seine maximale Leistung brachte. Und
außerdem verfügte sie immer noch über den
Fingerhutvoll Brei, der der letzte Zufluchtspeicher ihres
biochemischen Gehirns war…
… das zwar des eigentlichen Denkens nicht mehr fähig
sein mochte, jedoch noch dazu anregen konnte…
Nun ja, das war eine Möglichkeit, die häßliche
schmierige Masse zu benutzen. Sisela Ytheleus 1/2 machte sich daran,
eine abgeschirmte Reaktionskammer zu errichten, und dachte
darüber nach, wie sie sowohl die Antimaterie und den
Zellularpampf am besten zusammenbringen könnte, um sich mit
möglichst viel Reaktionsmasse und Schubkraft zu versorgen, als
auch den sich dadurch ergebenden Rückstoß so zu steuern,
daß die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erwecken, auf ein
Minimum reduziert würde.
Beschleunigung in die Sterne unter Benutzung eines
geschädigten Gehirns; das hatte auch seine heitere Seite, wie
ihr aufging. Sie setzte diese Routinevorgänge ebenfalls in Gang
und – begleitet vom Äquivalent eines tiefen Seufzers, dem
Ausziehen einer Jacke und einem Ärmelaufkrempeln – wandte
ihre Aufmerksamkeit dem Problem des Baues eines Selbstreparierers
zu.
In diesem Augenblick schwappte eine Woge um sie herum und durch
sie hindurch; ein heftiges, zielgerichtetes
Raumzeit-Gekräusel.
Sie unterbrach
Weitere Kostenlose Bücher