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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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hatte doch nur für einen Augenblick die Augen geschlossen. Und vor allem, worum ging es überhaupt? Er brauchte einen Moment, um Cerny zu identifizieren, und dann fiel ihm alles wieder ein. Er sprang auf die Beine, streifte seine Kleidung glatt und griff nach seinem Jackett. Der Duft frischen Kaffees stieg ihm dabei in die Nase.
    „Den habe ich in der Zwischenzeit besorgt, wenn’s recht ist“, sagte Cerny, während er ihm eine Tasse reichte.
    Der Oberstleutnant dankte ihm und fingerte sich eine Zigarette aus dem Etui. „Immer noch das beste Frühstück. Kaffee und Zigaretten“, bemerkte er, „egal, ob im Savoy oder vor Tarnow-Gorlice.“
    „Sie waren vor Tarnow-Gorlice, Herr Oberstleutnant?“
    „Unter anderem.“
    Bronstein verspürte jedoch keine Lust, über den Krieg zu sprechen. „Ist irgendetwas vorgefallen in der Nacht?“
    „Vor etwa zwanzig Minuten ist der Strom ausgefallen, haben die Kollegen vom Wachzimmer berichtet. Der Hausmeister sucht schon nach dem Schaden, aber die Sicherungen, sagt er, sind in Ordnung. Der Fehler muss woanders liegen.“
    „Der Strom?“ Bronstein dachte nach. Vielleicht war ja doch etwas im Busch. Das E-Werk in der Mariannengasse war eine Hochburg der Sozis, vielleicht war von dort aus der Strom zentral abgestellt worden, um den anderen Arbeitern damit ein Signal zu senden. „Sagen Sie den Beamten … oder nein, warten S’, ich mach das selber.“ Bronstein griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer der Polizeidirektion.
    „Grüß Sie, Oberstleutnant Bronstein am Apparat. Habt’s es an Strom? A ned! Hab i mir eh denkt. Dankschön.“ Er legte auf.
    „Die E-Werkler haben den Strom abgestellt. Der Hausmeister kann seine Suche einstellen. Des heißt, heute gibt’s einen Generalstreik. Na servus Kaiser, da können wir uns auf etwas gefasst machen.“ Bronstein stellte ein paar Kopfrechnungen an, dann wandte er sich wieder an Cerny. „Wenn man sich ausrechnet, wie lange die Arbeiter brauchen, um sich zu sammeln und loszumarschieren, dann werden sie gegen acht Uhr am Ring eintreffen. Meiner Vermutung nach ungefähr bei der Universität. Und dann wird sich zeigen, wo sie zuerst hinmarschieren: zum Parlament oder zum Landesgericht. Ich hoffe, der Präsident weiß jetzt, was er tut.“
    „Na ja“, entgegnete Cerny, „uns kann es vorerst egal sein, wir sind ja quasi nur Bereitschaft. Aber die Kollegen von der Justizwache beneide ich jetzt nicht. Der Zorn der Arbeiter wird sich sicher vor allem vor dem Landesgericht entladen, immerhin ist dort das Urteil gefällt worden.“
    „Schon möglich, aber das Parlament hat auch einen ziemlichen Symbolcharakter. Die Parlamentswache wird daher nicht weniger schwitzen als die Kollegen vom Grauen Haus.“
    „Apropos Graues Haus“, sagte Cerny und lächelte verschmitzt, „wissen wir eigentlich, warum das so heißt?“
    Bronstein dachte einen Moment nach: „Nein, eigentlich nicht.“
    „Weilst alt wirst, bis dort endlich ein Urteil gefällt wird.“
    „Na ja, Cerny, am Witzereißen müssen wir noch üben, gell!“ Und nach einer Pause: „Wurscht. Pack’ ma’s.“
    Das quälend lange Warten wurde Bronstein bald zu bunt. Es war offensichtlich, dass der Präsident längst seinen gestrigen Anruf vergessen hatte und nicht im Traum daran dachte, auf die verlorenen zehn Beamten im Justizpalast zurückzugreifen. Bronstein verspürte keine Lust, tatenlos herumzusitzen, und als die Amtsuhr acht Uhr schlug, erklärte er Cerny kurzerhand, dieser solle die Stellung halten, während er, Bronstein, einmal draußen nach dem Rechten sehe. Er werde in einer halben Stunde wieder zurück sein.
    Und so war es auch. Nicht nur Cerny war begierig, den Bericht Bronsteins zu hören, auch die anderen Beamten saßen wie gebannt da, während dieser sich erst eine Zigarette anzündete. „Tja, meine Herren“, begann Bronstein und blies gelassen den Rauch aus, „das wird ein heißer Tag heute, und damit meine ich nicht nur das Wetter.“ Er genoss es zu sehen, wie die anderen vor Spannung förmlich platzten. Na gut, er wollte nicht so sein.
    „Vor dem Parlament ist großflächig Polizei aufgezogen. Breiter Kordon, flankiert von der Berittenen. Die Arbeiter habe ichnur aus weiter Ferne gesehen, die tummeln sich unten bei der Universität, wo offenbar ein paar Scheiben zu Bruch gegangen sind. Klar, die sehen unsere Kollegen und trauen sich nicht weiter. Allerdings macht mir diese Renoviererei von der Straßenbahn ein wenig Sorge. Die tauschen ja, wie

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