Ezzes
nach dem anderen heruntergezählt, bis genau die Summe beisammen war, die ich anderntags genannt hatte. Was sollte ich da noch sagen? Ich hab das Geld genommen, hab ihm die Schlüssel in die Hand gedrückt und ihm viel Glück gewünscht. Und seitdem habe ich das Geschäft nie wieder betreten.“
„Das heißt“, fragte Bronstein nach, „Sie kannten Guschlbauer zuvor nicht?“
„Nein, eigentlich nicht. Ein paar Mal war er bei mir zuvor einkaufen gewesen, aber nie etwas Besonderes. Essiggurken da, Eier dort, hie und da eine Flasche Milch oder einen Laib Brot, das war alles. Ich hätte nie geglaubt, dass der Bursche reich ist. Na ja, wahrscheinlich ein Inflationsgewinnler.“
Wenn du wüsstest, dachte Bronstein, laut aber sagte er: „Also wissen Sie nicht, was er in dieser Gegend überhaupt gemacht hat. Und über ihn selbst können Sie mir auch keine weiteren Auskünfte geben?“
„Bedaure, nein. Nicht, dass ich wüsste.“
„Herr Aibler, ich danke Ihnen, das Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Ich will Sie nun nicht länger stören.“ Bronstein schickte sich an, die Wohnung zu verlassen.
„Einen Moment noch, wie hat man ihn denn … ich meine, wie ist er denn gestorben?“
Der so Angesprochene hielt in seiner Bewegung inne und blickte zu dem Fragenden zurück: „Erstochen. Er wurde erstochen.“
Aibler schien die Antwort nicht zu befriedigen: „Wer bringt denn einen Greißler um? Unsereins hat doch kein Geld. Schon gar nicht im G’schäft.“
„Das Motiv ist uns auch noch völlig schleierhaft“, ergänzte Bronstein, „es kann Leidenschaft ebenso gewesen sein wie Rache. Und die Sache mit dem Geld sollten wir zumindest noch nicht vollends ausschließen. Immerhin hatte Guschlbauer so viel, dass er Sie bar ausbezahlen konnte. Und wer so viel Geld hat, der hat vielleicht noch mehr.“
Aibler schien über diese Aussage nachzusinnen, und Bronstein nutzte die Gelegenheit, um nun wirklich zu gehen. Als er wieder auf der Josefstädter Straße stand, beschäftigten ihn zwei Fragen. Erstens: Wer kannte Guschlbauer wirklich? Und zweitens: Wo bekam er hier in der Nähe etwas zu essen? Immerhin war es beinahe 14 Uhr, und er hatte seit dem Frühstück keine Nahrung mehr zu sich genommen. Er kam am Café Eiles vorbei, doch ihm war nicht nach einer Kleinigkeit, er wollte eine ordentliche Portion vorgesetzt bekommen, denn nur die hielt Leib und Seele beisammen. Und so überquerte er die Zweierlinie und stand mit einem Mal vor der Bartensteingasse. Die Neugier erwachte in ihm. Würde das Geschäft offen haben? Immerhin hatten die Kollegen schon am Vortag alles bereinigt, eigentlich konnte der Verkauf wieder ungestört vor sich gehen. Nur wer würde sich nach Guschlbauers Ableben des Etablissements annehmen? Hatte der Mann überhaupt Erben? Und vor allem: Hatte er selbst im Geschäft bedient? Wohl kaum, jemand mit Geld arbeitete nicht, der ließ arbeiten. Vielleicht fand man also einen Angestellten, der auch ein wenig mehr über seinen Chef wusste, als Bronstein bislang in Erfahrung hatte bringen können. Er lugte also um die Ecke und legte die paar Meter zum Geschäft zurück, um Nachschau zu halten.
Zu seiner Überraschung war tatsächlich offen. Kurz entschlossen trat er ein. Eine Blondine blickte ihn von hinterder Budel erwartungsvoll an: „Guten Tag, womit kann ich dienen?“
Bronstein war perplex. Die Frau war höchstens Mitte zwanzig und trug einen dieser ultramodernen Bubiköpfe. Sie war schlank und wirkte dennoch muskulös, hatte sie doch ob der Temperaturen eine kurzärmelige Bluse an. Die goldbraune Haut kontrastierte neckisch mit den platinblonden Haaren, die offenkundig gefärbt waren, wie Bronstein an den Augenbrauen erkennen konnte. Doch das tat in Bronsteins Augen der Schönheit dieser Person keinen Abbruch. Er meinte, in einem Film zu sein, denn nur dort waren derartige Erscheinungen als Greißlerinnen unterwegs. Bronstein haderte mit seinem Schicksal. Weshalb liefen ihm stets nur Frauen über den Weg, die vollkommen außerhalb seiner Reichweite lagen? Hatte er die Götter beleidigt, dass er Tantalos gleich zu Leid und Pein verurteilt war? Und vor allem, was hatte dieser Augenstern eben gesagt?
„Äh, wie bitte?“
„Womit kann ich dienen?“
„Ach so, ja, äh, … wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“
„Ich bin die Edith, ich springe für die Karin ein. Seit der gnädige Herr … na, seitdem das passiert ist, fühlt sie sich nicht so gut, und darum springe ich für sie ein. Aber warum,
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