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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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das Büro aufzusuchen. So beschränkte er sich darauf, das nächste Kaffeehaus aufzusuchen, wo er sich nach einem Telefonapparat erkundigte. Er wurde auf die kleine Telefonzelle neben dem Sanitärbereich verwiesen. Bronstein hob den Hörer ab und ließ sich mit seinem Büro verbinden. Pokorny hob ab.
    „Grüß dich, Pokorny, Bronstein hier. Gibt’s was Neues?“
    „Ja, der Strakosch hat sich gemeldet. Er hat die Resultate der Untersuchung. Du sollst morgen in der Früh bei ihm vorbeischauen.“
    „Gut. Sonst noch was?“
    „Nein, eigentlich nicht. Aber …“
    „Sehr gut. Dann bis morgen. Ich komm heute nicht mehr ins Büro. Ich wünsch dir einen schönen Abend.“
    Noch ehe Pokorny dazukam, irgendeine seiner Geschichten loszuwerden, hatte Bronstein schon aufgehängt. Er setzte sich an die Bar und bestellte einen kleinen Braunen. Er fingerte eine Zigarette aus seinem Etui und zündete sie sich genussvoll an. Es war zwar nicht so, dass er den Fall schon gelöst hatte, aber er war wenigstens nicht untätig gewesen, und das gab Grund zu einer gewissen Zufriedenheit. Er lächelte milde in sich hinein und genoss den Kaffee.
    Aber Bronstein hatte die Zigarette noch nicht fertig geraucht, als er Nervosität in sich aufsteigen spürte. Seine Gedanken glitten ab, und vor seinen Augen erstanden wieder die nackten Körper der beiden jungen Frauen. Bronstein merkte, wie sein Glied sich wieder aufrichtete. Da saß er in einemunbedeutenden Simmeringer Café und hatte eine Erektion, die förmlich nach Entladung schrie. Hätte er auf die Gunstbezeugungen der beiden Mädchen eingehen sollen? Bronstein dämpfte die Zigarette mit nachgerade grober Gewalt aus. Nein! Sie hätten nur Geld von ihm verlangt. Nicht er war begehrt gewesen in diesem Augenblick, sondern sein Portemonnaie. Die Steifheit wich aus seinem Gemächt, und Bronstein verfiel in Trübsinn. Da war er nun 44 Jahre alt, und er hatte immer noch keine Frau. Keine Familie. Und eigentlich überhaupt kein Privatleben. Vor allem kein Sexualleben. Er musste eine gute Weile nachdenken, bis ihm einfiel, wann er zuletzt mit einer Frau geschlafen hatte. Und sein letzte wirkliche Liebesbeziehung, die lag nun schon über acht Jahre zurück. Diese kleine Kommunistin, Jelka, die ihn in den Umbruchtagen unmittelbar nach dem Kriegsende zu den Lehren von Marx und Lenin hatte bekehren wollen! Was wohl aus ihr geworden war? In Bronstein machte sich Erstaunen breit: War das wirklich schon so lange her? Gott, wie die Zeit verflog! Die Kommunisten waren in Russland schon beinahe zehn Jahre an der Macht, und fast ebenso lange musste Bronstein ein Leben als ewiger Junggeselle führen. Ein Hagestolz, eine Art alte Jungfer. Nun ja, wenigstens war er nicht unberührt, aber seit zwei, drei Jahren hatte er keinen ordentlichen Geschlechtsverkehr mehr gehabt. Sein Penis war nun endgültig in sich selbst zusammengefallen. Wozu sollte er auch strammstehen, er taugte ohnehin nur noch zum Wasserlassen.
    Diese Erkenntnis verlangte nach einem Schnaps. Bronstein orderte einen Slibowitz und kippte ihn in einem Schwung in sich hinein. Er schmeckte scharf, doch er vertrieb nicht die Bitterkeit, die sich in Bronsteins Innerem breitmachte. Was war das für ein Leben? Andere hatten Frau und Kind, wussten, wofür sie arbeiteten, und machten Pläne, er hatte nicht einmal mehr ein Ziel im Leben. Bronstein, Bronstein, sagte er sich, du bist auf dem besten Weg, zum schrulligen Alten zu werden.Du wirst so enden wie die Lifschitz. Auf Zimmer-Küche mit Kohlgemüse und Schmalzgläsern.
    Apropos Zimmer-Küche. Vielleicht war es besser, wenn er, sich auf den Heimweg machte. Hier würde er ohnehin nur in purem Trübsinn versinken, zu Hause konnte er sich wenigstens ablenken. Mit etwas Wagner auf dem Plattenteller und ein paar Zeilen Schiller in der Hand sah die Welt sicherlich schon wieder ganz anders aus. Groß ist, wer das Furchtbare überwindet, zitierte Bronstein im Geiste, beglich seine Rechnung und marschierte zur Straßenbahnstation.
    Am Südbahnhof stieg er in die Linie 13 um und fuhr zum Margaretenplatz, wo er gegen 18 Uhr eintraf. Da er seit dem Mittagessen keine feste Nahrung mehr zu sich genommen hatte, ließ er sich im Silberwirt noch ein Schnitzel servieren, ehe er schließlich seine Wohnung aufsuchte. Dort entkorkte er eine Flasche Erlauer, lauschte dem Ring des Nibelungen und entrückte sich selbst in Wallensteins Lager.
    Der Abend hatte damit noch eine versöhnliche Wendung genommen, und so konnte

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